Forschung

Weniger weiße Flecken: Genaue Karten zur Armut auf Basis von Big Data

Volkszählungen liefern nur eingeschränkt Informationen. Eine Studie von Central European University und Complexity Science Hub zeigt Möglichkeiten anhand von Sierra Leone und Uganda auf. Die Methode wird nun auf Ungarn, Österreich und Ecuador angewendet.

Um Armut zu bekämpfen, braucht es hochauflösende Karten zur Wohlstandsverteilung als Entscheidungsgrundlage. Doch gerade in ärmeren Ländern mangelt es oft an entsprechend umfassenden Erhebungen. Forscherinnen und Forscher der Central European University (CEU) und des Complexity Science Hub Vienna (CSH) haben für ihre neue Methode u.a. auf Satellitenbilder sowie Metadaten aus Social-Media-Diensten zurückgegriffen, um hochauflösendere „Armuts-Karten“ zu generieren.

Das Team um Lisette Espín-Noboa, die an beiden beteiligten Forschungseinrichtungen tätig ist, stellt neue Berechnungsmodelle vor, die die Verarbeitung großer, komplexer Datensätze (Big Data) und maschinelles Lernen integrieren. Angewendet wurden sie beispielhaft für die von Armut betroffenen Länder Uganda und Sierra Leone.

Die in Zusammenarbeit mit János Kertész and Márton Karsai erstellten, vergleichsweise hochauflösenden Karten zur Armut könnten politischen Entscheidungsträgern und Nichtregierungsorganisationen helfen, „die wirklich ärmsten Gebiete in einem Land zu identifizieren“ und bessere Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut zu treffen, sagte die Computerwissenschafterin. Volkszählungen könnten nur eingeschränkt Informationen über schwer erreichbare, abgelegene Gebiete liefern; sie seien zudem teuer und zeitintensiv. Die Kombination von Sensor- und Online-Crowd-Sourcing-Daten mit Methoden des maschinellen Lernens hätten in jüngster Zeit zur Erstellung von Armutskarten beigetragen, aber sie würden bisher z.B. keine lokalen Wohlstandsschwankungen erfassen.

Ein Mix aus vielen Daten

„Wir wollten wissen, wie der Wohlstand innerhalb eines Gebietes variiert und ob es Ungleichheiten gibt. Wir schlagen daher eine Reihe von maschinellen Lernmodellen vor, um den Mittelwert und die Standardabweichung des Wohlstands über mehrere geografisch geclusterte, bewohnte Orte hinweg abzuleiten und so auch Vorhersagen für alle Teilpopulationen liefern zu können“, sagt Espín-Noboa.

Datengrundlage für die neuen Modelle bildeten die in traditionell durchgeführten Umfragen erhobenen Haushaltsdaten, aus welchen für beide afrikanische Länder Werte des Internationalen Wohlstandsindex berechnet wurden. Zudem griffen die Forscher auf Datensätze aus Satellitenbildern sowie Metadaten, die aus Crowdsourcing-Quellen wie OpenStreetMap und Social-Media-Quellen wie Google oder Meta (Facebook) abgeleitet wurden, zurück. Daraus wurde ersichtlich, wie viele Menschen bestimmte Gebiete besuchen, wie viele Facebook-Nutzer ein iPhone besitzen, wie viele Antennen für den Handyempfang in einem Gebiet installiert sind oder auch, wie viele Geldautomaten in einem bestimmten Gebiet vorhanden sind - allesamt Indikatoren, die mit Wohlstand assoziiert werden können. Insgesamt extrahierten die Forscher über 900 Merkmale.

Anhand ihrer drei entwickelten Modelle - eines basierend auf Satellitenbildern, eines auf Grundlage der Metadaten von Crowdsourcing und sozialer Medien und eines als Kombination aus den zwei vorangegangenen - erzeugten sie ihre Armuts-Karten für Gemeinden in Uganda und Sierra Leone. Dabei habe sich wieder gezeigt, so die Studienautorin, dass „one size fits all“ nur selten funktioniert: In Sierra Leone ist das kombinierte Modell vor allem nützlich, Regionen mit sehr hohem Einkommen zu erfassen; das Metadaten-Modell funktioniert hier für sehr arme ländliche Regionen am besten. In Uganda ist es genau umgekehrt, Metadaten identifizieren hier die reichen und die Kombination die ärmsten Gebiete.

Bevölkerungsdichte und Intensität des Nachtlichts als Indikatoren

Zudem seien Reichtum und Armut in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Merkmalen besser erfassbar: Die Bevölkerungsdichte habe sich als beste Variable erwiesen, um Armutsgebiete in Sierra Leone abzubilden, während es die Intensität des Nachtlichts in Uganda war. Uganda sei etwas reicher als Sierra Leone und habe mit höheren Anteilen an besser gestellten Wohnorten daher wohl auch eine höhere Aussagekraft von Nachtlichtintensität erlaubt, nimmt die Forscherin an. Das Merkmal mit der zweitbesten Aussagekraft war in beiden Fällen Mobilität.

Ihre Methoden für die Kartierung der Wohlstandsverteilung testet das Team nun in Ungarn, Österreich und Ecuador, sagt Espín-Noboa, die selbst aus Ecuador stammt. Spannend sei, ihr Herangehen für Länder auf unterschiedlichen Kontinenten und mit unterschiedlichen Definitionen von Armut zu testen. So habe sich etwa schon gezeigt, dass in Ungarn, im Gegensatz zu den zwei afrikanischen Ländern, vor allem demografische Social-Media-Daten, z. B. über den Besitz eines iPhones, eines Masterabschlusses oder ähnliches, recht aufschlussreich seien. Ergebnisse für Österreich erwarten die Forscher gegen Ende des Jahres.

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(APA)

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