Junge Forschung

„Ich will Denkanstöße liefern“

Querverbindungen zwischen Wirtschaft und anderen Sparten der Wissenschaft knüpft Stephan Pühringer mit seiner Gruppe an der Uni Linz.
Querverbindungen zwischen Wirtschaft und anderen Sparten der Wissenschaft knüpft Stephan Pühringer mit seiner Gruppe an der Uni Linz.Hermann Wakolbinger
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Sozioökonom Stephan Pühringer will Ökonomie stärker mit Nachhaltigkeit verbinden. Kürzlich wurde er mit dem Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF ausgezeichnet.

Das Wirtschaftsstudium schien ihm in einem Bereich doch mehr als ergänzungsbedürftig. „Das ökonomische Denken hat unterschiedliche blinde Flecken“, sagt Stephan Pühringer vom Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Seine Kritik betraf fehlende Querverbindungen seines Studiums zu anderen Wissenschaftssparten – und vor allem das Fehlen eines Zusammenhangs zu nachhaltigem Wirtschaften.

Die mit Neugierde verbundene Kritik hat sich bezahlt gemacht. Ende Juni wurde dem mittlerweile 38-jährigen Sozioökonomen vom Wissenschaftsfonds FWF einer der acht Start-Preise des Jahres 2023 verliehen. Die für junge Forscher vergebene Auszeichnung ist mit je 1,2 Millionen Euro dotiert, die in den kommenden fünf Jahren in das Projekt – einschließlich weiterer eingebundener Mitarbeiter – fließen sollen.

Die Natur wird zu wenig beachtet

Das Projekt selbst trägt die Kurzbezeichnung „Seter“. Der erste Teil des Akronyms, „Set“ bedeutet Sustainable Socio-Economic Transition, womit ein nachhaltiger sozioökonomischer Übergang gemeint ist. Dann folgt mit „er“ Economic Reasoning, also die ökonomische Denkweise. Mit „Seter“ ist eine mehrstufige Analyse von Konzepten, Modellen und Dynamiken verbunden. Damit soll aufgezeigt werden, wie sich nachhaltige Ökonomie und wirtschaftliches Denken wechselseitig beeinflussen. Gleichzeitig wird überprüft, wie sich verschiedene Denkansätze auf Nachhaltigkeit und die politische Umsetzung umweltverträglicher Wirtschaftsformen auswirken. „Das Ökonomische ist stark hierarchisch fixiert“, so Stephan Pühringer, „es orientiert sich an den Top-US-Zeitschriften, die Natur wird zu wenig beachtet, und zwar in der Wissenschaft und in der Lehre.“

»Der Fokus ist auf das Wachstum gerichtet, gemessen wird am BIP, das die Kennzahl für den Fortschritt ist.«

Wobei der Start-Preisträger das von ihm konstatierte, zu eng gefasste ökonomische Denken nicht nur im universitären Bereich, sondern auch in politischen Debatten sieht. Die Wechselwirkungen zwischen der Ökonomie und den anderen Bereichen des Lebens würden zu wenig beachtet werden. Und auch im Alltag sind die Vorstellungen, wie Wirtschaft funktioniert, nach den herkömmlichen Mustern verankert – nämlich losgelöst von anderen Bereichen wie etwa der Umwelt und der Nachhaltigkeit. Transformationen, die durch die Klimakrise notwendig werden, sind in diesem Denken nicht vorhanden. Pühringer: „Der Fokus ist auf das Wachstum gerichtet, gemessen wird am BIP, das die Kennzahl für den Fortschritt ist.“

So denken und handeln auch Politikerinnen und Politiker. Da werde mit individuellen Anreizen gearbeitet wie beispielsweise bei der CO2-Bepreisung: „Die ist an und für sich nicht schlecht, sie betrifft aber nur einen kleinen Blickwinkel.“ Zu wenig werde nach dem wahren Preis gefragt. Kurzstreckenflüge müsse man nicht verbieten, sehr wohl aber einschränken. Wie man überhaupt über Einschränkungen nachdenken sollte. Und dann folgt die für manche provokante Fragestellung: „Braucht man ökonomisches Wachstum? Das wird nicht hinterfragt. Ein Nullwachstum muss, je nach Branche, nicht schlecht sein.“ In den öffentlichen Verkehr, so fügt Joseph Pühringer gleich an, müsse freilich investiert werden. Das sei im Kontext mit der Nachhaltigkeit außer Streit zu stellen.

Der Green Deal der EU ist „ein großer Wurf“

Auch der Green Deal der EU sei „durchaus ein großer Wurf“. Doch sei auch hier der Fokus zu stark auf die Energiepreise und zu wenig auf andere Aspekte gerichtet. Die EU-Richtlinien würden den bisherigen wirtschaftlichen Wachstumspfad nicht infrage stellen. Ob er damit rechne, dass seine Forschungen in der Politik etwas bewirken? „Ich will andere Möglichkeiten aufzeigen“, sagt Pühringer, „ich will Denkanstöße liefern.“ Denn das ökonomische Denken habe in den letzten Jahrzehnten an politischer und gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen. Im Start-Projekt sollen Vertreter der Nachhaltigkeitswissenschaft, Soziologie und politischen Ökonomie ihr Know-how ebenso einbringen wie jene von Economist4future und dem ZOE-Institut für zukunftsfähige Ökonomien. „Da können wir interdisziplinäre Forschung nachhaltig verankern“, sagt Pühringer.

Zur Person

Stephan Pühringer (38) absolvierte 2015 das Doktorat in Economics an der Uni Linz. Dorthin kehrte er nach drei Jahren als Postdoc an der Uni Koblenz zurück, nun ist er stellvertretender Leiter des Forschungsinstituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft. Ausgleich findet er bei seiner Familie, beim Volleyballspielen oder Laufen.
Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

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