Aufregung um Merkels enge Kontakte zu Goldman Sachs

Aufregung Merkels enge Kontakte
Aufregung Merkels enge Kontakte(c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Seit Ende Oktober 2009 trafen sich Manager der US-Bank 48-mal mit Spitzenrepräsentanten der deutschen Regierung.

Berlin/Wien. Kein anderer Finanzkonzern verfügt über so gute Kontakte zur deutschen Regierung wie die US-Investmentbank Goldman Sachs. Dies geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Berliner Finanzministeriums hervor. Das ist eine Überraschung. Denn Experten haben vermutet, dass die Deutsche Bank bei der Regierung in Berlin ein und aus geht.

Seit Ende Oktober 2009 trafen sich aber Goldman-Sachs-Manager 48-mal mit Spitzenrepräsentanten der Regierung. Auf Platz zwei liegt Commerzbank-Chef Martin Blessing, der es nur auf 17 Termine brachte. Dabei hat sich der deutsche Staat im Zuge der Finanzkrise mit 25 Prozent an der Commerzbank beteiligt.

Weniger Gesprächstermine gab es für Vertreter der Deutschen Bank. Allerdings durfte der Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, Kanzlerin Angela Merkel 2011 auf eine Afrika-Reise begleiten. Im Vorjahr flog er mit Merkel nach Italien und nach Portugal. Commerzbank-Chef Blessing war mit der Kanzlerin in Russland und in China.

Die Kontakte zu Goldman sorgen für Kritik. „Bundesregierung hört auf Goldman Sachs“ titelt die „Süddeutsche Zeitung“. Und die „Berliner Zeitung“ sieht Deutschland als „Bankenrepublik“. Transparency International verlangt nun genaue Informationen über den Inhalt der Gespräche.

Zu wenig Distanz zur Finanzbranche?

„Dauerkarten für das Kanzleramt, exklusive Plätze in der Kanzlermaschine: Offensichtlich hat die Bundesregierung ein ganz eigenes Bonusprogramm für Investmentbanker“, sagt SPD-Finanzexperte Carsten Sieling: „Das zeugt von wenig politischem Feingefühl“, so Sieling im „Handelsblatt“. Die Grünen verlangen mehr Distanz der Politik zur Finanzbranche.

Zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass der Gesetzesentwurf zur geplanten Kürzung der Auszahlung von Lebensversicherungen aus der Feder der Versicherungslobby stammt. Die Berliner Regierung soll ganze Passagen von einer Stellungnahme des deutschen Versicherungsverbands abgeschrieben haben.

Die deutsche Regierung weist die Vorwürfe zurück. Gespräche mit Vertretern von Banken seien eine „notwendige Begleiterscheinung“. Schließlich habe sich Merkel um die Rettung des Euro kümmern müssen.

Seit Jahren kursieren Verschwörungstheorien über Goldman Sachs. Denn viele ehemalige Mitarbeiter des Instituts sitzen an Schaltstellen der Wirtschaft. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, war zuvor Vizepräsident von Goldman in London. Die amerikanische Bank hat Griechenland in der Vergangenheit geholfen, die Staatsschulden kleinzurechnen.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti war Berater von Goldman. Die früheren US-Finanzminister Robert Rubin (1995 bis 1999) und Henry Paulson (2006 bis 2009) waren Vorstände der US-Bank. Im Juli wird Mark Carney neuer Chef der britischen Notenbank. Carney ist derzeit Vorstandsvorsitzender der Zentralbank in Kanada und begann seine Karriere bei Goldman Sachs. Bemerkenswert ist der Ausspruch von Goldman-Chef Lloyd Blankenfein, die Banken würden „Gottes Werk“ verrichten. In Österreich sind keine Treffen zwischen Goldman und der Regierung bekannt.

Sauschädelessen von Christian Konrad

In Österreich lädt Raiffeisen-General Christian Konrad immer zu Jahresbeginn Politiker und Prominente zum legendären „Sauschädelessen“ ein. Bank-Austria-Chef Willibald Cernko bemüht sich, sich einmal im Jahr mit Vertretern der im Parlament vertretenen Parteien zu treffen.

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hat sich in der Vergangenheit bei Bankenthemen unter anderem auf die Expertise von Michael Höllerer verlassen. Höllerer kehrte im Vorjahr vergangenen Sommer zur Raiffeisen Zentralbank (RZB) zurück. Und Ex-Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) arbeitet nun für einen Mühlenkonzern von Raiffeisen.

Auf einen Blick

Keine andere Großbank verfügt über so viele Gesprächskontakte zur deutschen Regierung wie Goldman Sachs. Dies sorgt für Kritik. Die Opposition verlangt mehr Distanz zur Finanzbranche. Transparency International fordert, dass die Gesprächsinhalte offengelegt werden. Die deutsche Regierung versichert aber, dass die Banker nicht an Beschlüssen beteiligt gewesen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2013)

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