Migration

Flüchtlinge verdursten in der Wüste – trägt die EU Mitschuld?

Libysche Grenzbeamte versorgen nahe Al-Assah aus Tunesien vertriebene Migranten mit Wasser.
Libysche Grenzbeamte versorgen nahe Al-Assah aus Tunesien vertriebene Migranten mit Wasser. AFP/Mahmud Turkia
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Schwere Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen nach vorläufiger Einigung über Flüchtlingsdeal mit Tunesien. Die EU mache sich bei Vertreibungen mitverantwortlich.

Fati Dosso lag im Sand unter einem dürren Strauch, ihre sechsjährige Tochter, Marie, neben ihr. Das Bild ging um die Welt. Mutter und Kind waren verdurstet; libysche Grenzer fanden ihre Leichen vor wenigen Tagen in der Wüste an der Grenze zu Tunesien. Die 30-jährige Dosso und ­Marie wurden zum Symbol der Verzweiflung von vielen schwarzafrikanischen Flüchtlingen, die von den tunesischen Behörden in der Wüste ausgesetzt werden. Menschenrechtler werfen der EU nun vor, diese Brutalität bei dem vorbereiteten Flüchtlingsdeal mit dem tunesischen Präsidenten, Kais Saied, hinzunehmen. Der Deal wurde vor rund zwei Wochen in Grundzügen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie von Italiens Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, und ihrem niederländischen Amtskollegen, Mark Rutte, mit Tunis vereinbart. Gegen Wirtschaftshilfe soll Tunesien künftig Sorge tragen, dass sich weniger Menschen in Richtung Europa in Bewegung setzen.

Doch spielen humanitäre Aspekte dabei eine Rolle? Fati Dosso und Marie waren zusammen mit Familienvater Pato am 16. Juli von der tunesischen Polizei zusammen mit etwa 30 weiteren Schwarzafrikanern in die Wüste gebracht und ohne Wasser ihrem Schicksal überlassen worden, wie Pato der Selbsthilfeorganisation Refugees in Libya erzählte. Die Gruppe wollte sich in Libyen in Sicherheit bringen, doch Vater Pato war zu schwach und sagte Frau und Tochter, sie sollten ohne ihn weitergehen. Er wurde in der Nacht von anderen Flüchtlingen gerettet, doch Fati und Marie starben auf dem Marsch. Pato identifizierte Frau und Kind anhand von Fotos der Leichen.

Fati aus der Elfenbeinküste und Pato aus Kamerun hatten sich 2016 als Flüchtlinge in Libyen kennengelernt. Ziel der Familie war Europa. Fünf Mal versuchten die Eltern, mit ihrem 2017 geborenen Kind von Libyen aus per Boot nach Europa zu kommen, scheiterten aber. Schließlich wollten sie aus dem Bürgerkriegsland Libyen nach Tunesien auswandern, um ihre Tochter in die Schule schicken zu können. Doch die tunesischen Behörden schieben seit etwa einem Monat viele Schwarzafrikaner in die Wüstengebiete an den Grenzen zu Libyen im Osten und zu Algerien im Westen ab.

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