"Pavillon35": Biokunst-Experimente in Wien

Screenshot Pavillon35
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Im Biokunstklub "Pavillon35" verwandeln Günter Seyfried und Niki Passath Bakterien und Schimmelpilzgewächse in Kunstwerke.

Im Labor rotten die Bananen und Erdbeeren vor sich hin. Sie liegen eingeschlossen in einer durchsichtigen Box, ein mittlerweile braun-grau-weißer Matsch auf einem Gitter, der darauf wartet, in die Ausstellung gebracht zu werden. Daneben liegen mehrere Gläser, in denen Schimmelpilzkulturen vor sich hin wachsen, kleine Mondlandschaften im Glas, andere sehen aus wie das Amazonasgebiet. In einer anderen Box wächst Moos in allen möglichen Grünschattierungen.

In der „Werkstadt Meidling“ im gleichnamigen Bezirk hat der Biokunstklub „Pavillon35“ eine Heimat gefunden. Seit rund einem Jahr arbeiten dafür Künstler Hand in Hand mit Molekularbiologen, Gentechnikern oder Botanikern, um Werke im Bereich der Biokunst zu schaffen.

Wie funktioniert das Leben?

Diese neue Form von Kunst steckt noch in den Kinderschuhen und vermischt wissenschaftliches Arbeiten mit künstlerischen Ansätzen. Da werden etwa genmanipulierte Gewächse ausgestellt, Kartoffeln in Mustern aufgespießt gedruckt oder wird ein Hase zum Leuchten gebracht. Von einer kommerziellen Nutzung ist die Biokunst freilich noch weit entfernt, auch, weil die Arbeiten an so einem Projekt meist mehrere Jahre dauern. Trotzdem gibt es schon einige bekannte Arbeiten, die zuletzt auch für Aufregung gesorgt haben. So hat sich der australische Biokünstler Stelarc ein Ohr samt Mikrofon unter die Haut des Unterarms implantieren lassen – und dabei fast seinen Arm verloren, weil sich die Wunde entzündet hat. Die Französin Marion Laval-Jeantet hat sich wiederum Pferdeblut initiiert und von ihren Wahrnehmungen („Ich habe mich wie der leibhaftige Zentaur gefühlt“) berichtet.

In Meidling haben die beiden Künstler Niki Passath und Günter Seyfried zwar noch keine derart extremen Aktionen geplant, trotzdem finden sie diese „total spannend“ und „wichtig“. Die beiden sind Gründer des Biokunstklubs Pavillon35 und bereiten gerade ihre erste Ausstellung „Nature Animée“ (ab 4. März) vor. „Für mich war das Leben schon immer die persönliche Fragestellung in der Kunst“, schildert Passath, wie er zur Biokunst gekommen ist. Der 36-jährige gebürtige Grazer hat sich nach seinem Studium an der Universität für angewandte Kunst mit Robotern beschäftigt und im Zuge mehrerer Auslandsreisen Biokünstler getroffen. Wieder zurück haben er und sein Kollege Seyfried – beide unterrichten mittlerweile an der Angewandten – beschlossen, einen Klub zu gründen. „Um praktischer zu arbeiten“, sagt Seyfried. Schnell war mit Dialog-Gentechnik ein wissenschaftlicher Partner gefunden. Ebenso eine Gruppe junger Forscher, die ihre eigenen Projekte im Biokunstklub umsetzt. Seither wird in Meidling experimentiert. Passath arbeitet an einem Turm, den er mit Hopfen überwachsen lässt, seine Kollege Seyfried, ein gebürtiger Vorarlberger, mutiert Bakterien für Bilder. Im nächsten Schritt möchte Passath seine eigene Haut replizieren und über eine Skulptur spannen. „Ich möchte wissen, wie das ist, wenn man seine eigene Haut als Material verwendet.“

Denn es sind Fragen wie diese, die die Biokünstler beschäftigen: Wie funktioniert das Leben, wo durchbricht es der Mensch mit der Technik. Wo fängt Kontrolle an, wo hört sie auf? So rechtfertigt Günter Seyfried auch das Pferdeblutprojekt der französischen Künstlerin: „Ihr Körper hat Antikörper auf das Pferdeblut entwickelt. So funktionieren auch Impfungen.“ Völlig harmlos sind dann aber auch weniger spektakuläre Projekte nicht. Immerhin können auch Schimmelpilzsporen Krankheiten auslösen. Bei großen Experimenten wird den Künstlern daher ein Biokunstsicherheitsexperte zur Seite stehen. Bei den Bananen und Erdbeeren in der Box war so jemand noch nicht notwendig.

Infos:pavillon35.polycinease.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2013)

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