Chronologie: 76 Tage in der Votivkirche

APA/HERBERT PFARRHOFER
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Seit 18. Dezember 2012 haben sich in der Wiener Votivkirche Asylwerber aufgehalten, heute, Sonntag, sind sie ins Servitenkloster in Wien-Alsergrund übersiedelt. Eine Chronologie der Geschehnisse.

24. November 2012: Eine Gruppe von Asylwerbern macht sich per "Protestmarsch" vom niederösterreichischen Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen nach Wien auf. Zentrale Forderungen sind unter anderem einen Austausch sämtlicher Dolmetscher in Traiskirchen sowie bessere Verköstigung. Im Siegmund-Freud-Park vor der Votivkirche wird ein Zeltlager errichtet. Das "Protestcamp" bleibt in den nächsten Tagen stehen.

18. Dezember 2012: Eine Gruppe von Asylwerbern begibt sich in die Votivkirche - nach einigem Hin und Her wird klar, dass sie diese nicht mehr verlassen. Die Polizei wird eingeschaltet, nachdem der Pfarrer nicht so recht weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. Kurzfristig scheint eine Räumung im Weg zu stehen, wird aber abgeblasen, als sich die Erzdiözese Wien sowie die Caritas Wien einschalten. Motto: "Die Kirche ist ein Schutzraum."

19. Dezember 2012: Die Asylwerber in der Votivkirche fordern ein Gespräch mit dem Innenministerium.

21. Dezember 2012: Die Erzdiözese lädt zu einem "Runden Tisch" in der Causa, an dem Vertreter von Innenministerin Johanne Mikl-Leitner (V) und Staatssekretär Josef Ostermayer (S) sowie von Kirche, Caritas, Diakonie, UNHCR, amnesty international und der Asylwerber teilnehmen. Ergebnis: Die Caritas bietet Ersatzquartiere an - die Votivkirche ist eiskalt -, das Ministerium sagt zu, dass der Rechtsanspruch auf Grundversorgung jedes einzelnen "Asyl-Campers" noch einmal geprüft wird. Die Forderungen der Asylwerber, darunter unter anderem die Löschung ihrer Fingerabdrücke, um in einem anderen EU-Land um Asyl ansuchen zu können, werden als nicht durchsetzbar bezeichnet.

22. Dezember 2012: Die Asylwerber nehmen das Ersatzquartier vorerst nicht in Anspruch. Die Zahl der Personen, die sich in Kirche und Camp aufhalten, variiert stark: Mal sind es mehrere Dutzend, mal nur einige wenige.

23. Dezember 2012: Mehrere Asylwerber kündigen an, in Hungerstreik zu gehen.

24. Dezember 2012: Am Heiligen Abend übersiedeln rund 40 Personen aus Kirche und Park ins von der Caritas bereitgestellte Notquartier. In der befinden sich damit nach Angaben der Caritas noch etwa 15 bis 20 Personen.

27. Dezember 2012: Nach den Weihnachtsfeiertagen halten sich rund 30 Personen in der Votivkirche auf, etwa die Hälfte von ihnen im Hungerstreik. Spannungen zwischen Unterstützern bzw. Aktivisten und den Betreuern von Caritas bzw. Johannitern zeichnen sich ab.

28. Dezember 2012: Die Polizei räumt das Camp im Siegmund-Freud-Park in den frühen Morgenstunden. Proteste über Polizeiwillkür sind die Folge. Vertreter von Erzdiözese, Caritas und Diakonie treffen sich in der Votivkirche und halten fest: Eine Räumung derselben kommt nicht in Frage, wird versichert.

30. Dezember 2012: Das Innenministerium kündigt eine Evaluierung der Camp-Räumung an.

31. Dezember 2012: Kardinal Christoph Schönborn besucht die Asylwerber in der Votivkirche

2. Jänner 2013: Innenministerin Mikl-Leitner trifft mit vier Vertretern der Asylwerbern zusammen. Konkretes Ergebnis gibt es keines, die Asylsuchenden verbleiben in der Votivkirche. Das Ministerium wiederum sieht den "Schlusspunkt" der Gespräche erreicht.

In den folgenden Tagen stellen sich immer wieder prominente Unterstützer in der Kirche ein. Zugleich kommt es immer wieder zu Kritik an den Aktivisten rund um das "Refugee Camp". Diese würden die Asylwerber instrumentalisieren, meint etwa Mikl-Leitner. Kardinal Schönborn verteidigt die Position der Kirche und wird dafür von FP-Chef Heinz-Christian Strache angegriffen. Vier Asylwerber werden - während sie sich nicht in der Kirche aufhalten - von der Polizei aufgegriffen und in Schubhaft gesteckt.

22. Jänner 2013: Die Asylwerber beschließen, ihren Hungerstreik zu unterbrechen.

25. Jänner 2013: Das Innenministerium legt den Asylwerbern in einem Brief einmal mehr nahe, Ersatzquartiere anzunehmen.

28. Jänner 2013: Kardinal Schönborn übt harte Kritik an den Aktivisten rund um die Votivkirchen-Asylwerber. Diese würden "die Not der Asylwerber in der Votivkirche für ihre Ideologie missbrauchen".

1. Februar 2013: Die Asylwerber nehmen den Hungerstreik wieder auf. Rund 60 halten sich in der Votivkirche auf.

10. Februar 2013: Neun Mitglieder der rechten Gruppe der "Identitären Wiens" Votivkirche "besetzen". Ihren Protest gegen "Massenzuwanderung und Islamisierung" blasen sie indes nach einigen Stunden wieder ab.

12. Februar 2013: Das Innenministerium stellt nach erfolgter Evaluierung fest: Die Räumung des Protest-Camps ging korrekt vor sich.

13. Februar 2013: Bundespräsident Heinz Fischer appelliert an die Asylwerber, in die von der Kirche angeboten Ausweichquartiere umzusiedeln.

16. Februar 2013: Immer wieder gibt es Solidaritätsdemos für die Votivkirchen-Insassen. Jene am 16. Februar hat rund 2.000 Teilnehmer.

18. Februar 2013: Die Asylwerber setzen ihren Hungerstreik aus.

25. Februar 2013: Ein weiterer Asylwerber gerät in Schubhaft.

28. Februar 2013: Bei einem Polizeieinsatz im Umfeld der Kirche wird ein weiterer Asylwerber festgenommen. Er trat in der Vergangenheit immer wieder als Sprecher der Gruppe auf. Rund 100 Unterstützer stehen der Polizei gegenüber. SOS Mitmensch spricht von "Jagdszenen", die Polizei von einer "routinemäßigen Kontrolle". Über den 33-Jährigen wird Schubhaft verhängt, da ein rechtskräftiger negativer Asylbescheid vorliegt.

3. März 2013: Die Asylwerber ziehen von der Votivkirche ins Wiener Servitenkloster, wollen mit den Behörden kooperieren und bedanken sich bei Caritas und Johannitern für die Unterstützung. Kardinal Schönborn habe das "Gastrecht" zugesagt, so die Erzdiözese.

(APA)

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