Rebellenkämpfer auf dem Golan haben 21 Blauhelmsoldaten aus den Philippinen in ihrer Gewalt. Sie fordern den Rückzug der syrischen Truppen.
Sie nennen sich die „Märtyrer aus Yarmuk" und stammen aus einem palästinensischen Flüchtlingslager in Damaskus. Die Rebellengruppe kämpft auf den 150 Kilometer entfernten Golanhöhen gegen die Regierungstruppen von Präsident Bashar al-Assad. Am 3. März hat sie eine Reihe von Soldaten der syrischen Armee exekutiert, wie einige Internetvideos nahelegen. Human Rights Watch (HRW) untersucht den Vorfall, der sich in der Gegend von al-Jamla ereignet hat.
Seit Mittwoch halten rund 30 Kämpfer der Gruppe in der Nähe des Dorfs al-Jamla zudem 21 UN-Soldaten in ihrer Gewalt. Die aus den Philippinen stammenden Blauhelme sind Teil der UN-Beobachtungsmission (Undof), einer internationalen Friedenstruppe, die auf den Golanhöhen stationiert ist. Dazu gehört auch ein mehr als 300 Mann umfassendes österreichisches Kontingent. Die Österreicher sind laut Verteidigungsministerium von dem Vorfall nicht betroffen. Die Truppe überwacht einen Waffenstillstand zwischen Syrien und Israel.
„Die UN-Beobachter waren auf einer normalen Nachschubmission unterwegs", hieß es seitens der UNO, die mit den entführten Soldaten bereits telefonischen Kontakt hatte. Ein Internetvideo zeigt eine Gruppe von bewaffneten Rebellen, die vor zwei weißen, gepanzerten Fahrzeugen mit UN-Logos posieren. „Die Brigade der Märtyrer aus Yarmuk hat die UN-Beobachter in ihrer Hand, bis die Assad-Truppen die Gegend um Jamla räumen", versichert ein junger Mann in Zivilkleidung. Im Hintergrund sitzen fünf UN-Blauhelmsoldaten mit schusssicheren Westen. Sollte die syrische Armee nicht innerhalb von 24 Stunden abziehen, würden die UN-Soldaten als gefangene Feinde behandelt.
Das Video bezichtigt die Undof der Kollaboration mit dem Regime. Die UN-Soldaten seien den Regierungssoldaten behilflich gewesen, die Rebellen aus dem Dorf Jamla zu vertreiben. Ein absurd anmutender Vorwurf, der wohl mehr in der Frustration der Rebellen wurzelt. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte wie EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die sofortige Freilassung der Blauhelme.
Wie in anderen Teilen Syriens haben die Rebellen auch in der Region der Golanhöhen keinen entscheidenden militärischen Vorteil erzielt. Der Bürgerkrieg steckt landesweit im Patt. In Aleppo haben sie strategisch wichtige Kasernen und Flugplätze eingenommen. Als erste Provinzhauptstadt fiel dieser Tage Raqqa in die Hände der Rebellen. Eroberungen, die groß gefeiert werden, letztendlich jedoch keine kriegsentscheidenden Auswirkungen haben. Auf der einen Seite werden „mehr und mehr Siege" errungen, aber auch die syrische Armee macht Gebietsgewinne.
Neue Eskalationsstufe
Das Kidnapping der Blauhelme markiert eine neue Eskalationsstufe. Noch nie haben es Rebellen gewagt, sich an Soldaten der UNO zu vergreifen. Ein Vorfall, der kein gutes Licht auf die Opposition wirft, die seit einigen Wochen, so vehement wie kaum zuvor, endlich die militärische Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft einfordert. Auf Seiten der Rebellen kann niemand verstehen, dass nach 70.000 Toten, die der Bürgerkrieg nach UN-Angaben bisher gefordert hat, der Westen nicht bereit zur Intervention ist - anders als in Libyen vor zwei Jahren.
Die Gefangennahme der 21 UN-Beobachter spiegelt den Ärger der Rebellen wider. „Die Menschen, das syrische Volk, sind ihnen vollkommen egal", lautet der Tenor unter Regimegegnern in Syrien. „Sie lassen uns allein kämpfen und sterben." Die Entführung ist alles andere als eine Werbung für die Opposition, die wegen ihrer Tendenz zur Islamisierung immer mehr in die Kritik gerät. Gerade haben tschetschenische Islamisten ein „Best of"-Video ihrer Aktionen gegen Regimetruppen veröffentlicht. Darin hält ein Omar Abu al-Chechen, auf einem Teppich kniend, eine flammende Rede für den Jihad gegen Assad.
Der tschetschenische Kommandant und radikale Islamist fordert alle Muslime auf, sich am heiligen Krieg zu beteiligen. Denn ein islamischer Staat sei in Reichweite. Syrien ist zum Tummelplatz ausländischer Extremisten geworden.
Der Exodus aus Syrien geht unaufhaltsam weiter. Am 15. März jährt sich der Aufstand gegen das Regime, ein Ende des Bürgerkriegs ist nicht abzusehen. Der Konflikt habe „katastrophale Ausmaße", erreicht, erklärte der britische Außenminister William Hague.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2013)