Sexismus: Wie lustig kann ein Penis sein?

Sexismus lustig kann Penis
Sexismus lustig kann Penis(c) Erwin Wodicka
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Warum sind Herrenwitze oft obszöner als Witze, die in Frauenrunden erzählt werden? Wie lustig kann ein Penis sein? Eine kleine Abhandlung über den männerfeindlichen Witzund eine Erläuterung, warum tendenziöser Humor meist etwas einfach gestrickt ist.

Worüber lachen Frauen? Worüber lachen sie, wenn keine Männer im Raum sind, und sie zum Beispiel gerade über Rainer Brüderle und seinen Dirndl-Spruch („Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“) debattiert haben? Sie lachen etwa über folgende Scherzfrage: Wann können Männer am besten denken? Beim Sex. Da sind sie mit dem Hauptrechner verbunden.

Es ist das Beispiel eines geglückten sexistischen Witzes. Warum er geglückt ist, lässt sich erläutern: Die meisten Witze leben davon, dass sie unterschiedliche Settings überraschend zusammenführen: Ein im Witz vorkommendes Wort (oder eine Metapher oder eine Vorstellung oder ein Bild oder ein Szenario) gehört zwei verschiedenen Welten an, der Witz lässt diese Welten aufeinanderprallen. Ein Bad etwa kann man nehmen – und anschließend sauber sein. Ein Bad kann man aber auch (mit)nehmen – und dann Dreck am Stecken haben. Anderes Beispiel: Im Satz „Ein Mann geht im Keller Kartoffeln holen und bricht sich dabei das Genick“ verbergen sich zwei Informationen, die zu entgegengesetzten Verhaltensweisen führen. Erstens: Der Mann ist tot – die Frau trauert. Zweitens: Er hat keine Kartoffeln geholt. Ergebnis: Die Frau kocht Nudeln.

Und das ist dann der Witz.


Der verkleidete Priester. Von solchen Zusammentreffen, von enttäuschten Erwartungen und widersprüchlichen Vorstellungen lebt der Witz. Jean Paul sprach in diesem Zusammenhang vom Witz als „verkleidetem Priester, der jedes Paar kopuliert“. Die Geschlechtsorgane und die Computeranschlüsse in unserer Scherzfrage sind dafür ein gutes Beispiel. Die durch den verkleideten Priester hergestellte Ähnlichkeit ist jedenfalls so überraschend wie eingängig.

Dieser Witz ist allerdings eher die Ausnahme. Als Regel gilt: Tendenziöse Witze sind selten gut, zumindest seltener als andere, und sie haben es auch gar nicht nötig: Obszöne oder feindselige (darunter fallen auch rassistische) Scherze müssen formal nicht so raffiniert gebaut sein, um beim Publikum auf Zuspruch zu stoßen. Oder um es mit Sigmund Freud zu sagen: „Fast niemals erzielt der tendenzlose Witz jene plötzlichen Ausbrüche von Gelächter, die den tendenziösen Witz so unwiderstehlich machen.“

In seiner Abhandlung befasst sich Freud auch länger mit der Zote: Ihre Bedingung sei die „Unnachgiebigkeit des Weibes“, eine Zote wird gerissen, wenn die Frau nicht will, bzw. noch nicht will. Diese Verweigerung bewirkt Feindseligkeit, die im Witz gelöst wird: So wirkt er befreiend.

Bei der Zote und beim typischen Herrenwitz ist jedenfalls das Ziel die Frau als (sich verweigerndes) Lustobjekt. Das bestätigt der Blick auf einschlägige Seiten. Oft steht die weibliche Körperlichkeit im Vordergrund: Erstaunlich viele Witze handeln von der Menstruation bzw. von entsprechenden Hygieneartikeln, ebenfalls erstaunlich viele vom Geruch der weiblichen Geschlechtsorgane. Der immer wieder erwähnte Fischgeruch stammt zwar aus Vor-Antibiotika-Zeiten, doch Witzklischees halten sich oft hartnäckig, selbst wenn der Anlass längst fehlt. Auch 2013 findet man noch Witze über Frauen, die mit dem Nudelwalker hinter der Tür stehen.

Männerfeindliche Witze beziehen sich dagegen eher auf die Lebensuntüchtigkeit des Mannes und stellen seine Existenzberechtigung infrage (Wann ist ein Mann einen Euro wert? Wenn er einen Einkaufswagen schiebt). Der männliche Körper ist seltener Zielscheibe von Spott – wenn, dann variieren diese Witze meist das Klischee, dass der Mann mit dem Penis denke („Hallo“, ruft die Gehirnzelle: „Hallo, ist da niemand?“ Da hört sie aus der Ferne eine Kollegin rufen: „Was machst du da oben? Wir sind alle hier unten.“). Insofern scheinen die sexistischen Witze gerade jene Vorurteile zu bestätigen, die den Kern der obszönen Witze ausmachen: Mann will, Frau findet den Mann in seinem Begehren lächerlich bzw. unterstellt ihm, in seinem Begehren die falsche Wahl zu treffen.


Adam und Eva. Sowohl Frauen als auch Männer erzählen gern Witze, die sich um die Ehe drehen. Wobei auch hier auffällt, wie überkommene Rollenzuschreibungen scheinbar bestätigt werden, und zwar auch dann, wenn Frauen am Zug sind: Auch im männerfeindlichen Witz holt selbstverständlich der Mann die Kartoffeln aus dem Keller, die Frau dagegen kocht. Oder: Der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause: („Was macht die Frau morgens mit ihrem Arsch? Sie kocht ihm einen Kaffee und schickt ihn ins Büro.“). Wobei nicht nur beim sexistischen Witz Klischees eine wichtige Rolle spielen. Man denke an den Burgenländerwitz, den Schottenwitz, den Häschenwitz: Witze mit starren Strukturen funktionieren oft besonders gut, das hängt auch damit zusammen, dass der Witz Knappheit verlangt und durch das Klischee ein Teil der Information vorweggenommen ist. Dass ein Schotte im Witz geizig ist, muss nicht lange erklärt werden.

Wir kennen das traditionelle Witzpersonal zur Genüge: die dümmliche Blondine. Die dick und unattraktiv gewordene Ehefrau. Die eifersüchtige Ehefrau. Die den Sex verweigernde Ehefrau bzw. die Frau, die mit einem anderen Sex hat. Die intelligenteren sexistischen Witze wenden diese Klischees gegen den Erzähler selbst, der Sexismus im Witz wird mit den Mitteln des sexistischen Witzes geschlagen: Warum mögen Männer Blondinenwitze? Weil sie sie verstehen.“ Oder: Gott kommt zu Adam und verspricht ihm eine Gefährtin: Sie ist wunderschön, sie kann super kochen, sie ist klug, nachgiebig, und sie wird ihn bis zu seinem Lebensende verwöhnen. Nur einen Haken hat die Sache: Er muss dafür ein Bein hergeben. Antwort Adams: „Und was bekomme ich für eine Rippe?“

Interessanterweise findet sich dieser Witz sowohl in der Rubrik „Männerfeindliches“ als auch unter der Rubrik „Frauenfeindliches“. Männer lachen offenbar über den angesprochenen Unterschied zwischen Versprechen und Realität. Frauen erfreuen sich dagegen an der Tatsache, dass in diesem Witz die Männer schuld sind, wenn die Frau die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.


Wenn die Aggression groß genug ist. Witze, die in beiden Rubriken vorkommen, sind übrigens häufig. Das hängt auch damit zusammen, dass viele – zumindest im klassischen Sinn – gar nicht sexistisch sind, sondern eher zur Kategorie „feindseliger Witz“ gehören: Was macht eine Frau, wenn ihr Mann im Zickzack durch den Garten läuft? Weiterschießen. Oder: Was ist ein Mann in einer Badewanne voll Salzsäure? Ein gelöstes Problem!

Diese Scherzfragen funktionieren ganz unabhängig von der geschlechtlichen Identität der handelnden Figuren. Schießen könnte auch der Mann auf die Frau oder die Frau auf den Nachbarn oder der Nachbar auf das Haustier. Und in die Badewanne könnten Sie auch einen Vorgesetzten legen oder einen Lehrer oder einen Beamten oder sonst irgendeine Person, gegen die Sie im Moment gerade besondere Aggressionen hegen.

Und wenn die Aggression groß genug ist und Sigmund Freud recht hatte, werden Sie vermutlich auch lachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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