Anwalt Johannes Reich-Rohrwig warnt vor blindem Vertrauen in die Schiedsgerichtsbarkeit.
Wien/Kom. „20 bis 25 Prozent der Schiedssprüche sind grob mangelhaft.“ Mit dieser Schätzung lässt Rechtsanwalt Johannes Reich-Rohrwig, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, im Gespräch mit der „Presse“ aufhorchen. Reich-Rohrwig, der auch als Professor am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht an der Universität Wien lehrt, warnt vor blindem Vertrauen in die Qualität der Schiedsgerichtsbarkeit: „Man kann sehr schnell zu seinem Recht kommen, aber man kommt auch rasch zu seinem Unrecht“, sagt Reich-Rohrwig.
Jahraus, jahrein Zivilrecht
Rekursrichter seien juristisch im Durchschnitt besser bewandert als Schiedsrichter, meint der Anwalt. „Die Richter machen das Zivilrecht auf und ab, jahraus, jahrein.“ Sie hätten permanent nur Rechtsfragen zu lösen. Doch auch mit Gerichtsurteilen ist Reich-Rohrwig nicht immer zufrieden. Seine Kanzlei hat in den letzten Monaten zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs über Aufhebungsklagen gegen Schiedssprüche zugestellt bekommen. Einmal hat sie den Spruch der Schiedsrichter erfolgreich verteidigt (2 Ob 206/12a), das andere Mal einen Schiedsspruch vergeblich bekämpft (4 Ob 185/12b): „Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verstehe ich nicht“, sagt Reich-Rohrwig.
Die geplante Verkürzung des Rechtszugs auf eine Instanz befürwortet er aber: „Im Prinzip ist es gut, wenn das Verfahren eininstanzlich ist.“ Positiv fände er auch, wenn zugleich die Gebühren sänken, doch das ist noch keineswegs gesichert (s. Artikel links). Reich-Rohrwig berichtet von einem Schiedsverfahren unter seiner Beteiligung, das einen Streitwert von einer Mrd. € aufgewiesen hat. Wäre es zu Gericht gekommen, hätten die Gebühren für alle Instanzen 54 Mio. € ausgemacht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)