Eine Woche lang Nabel der Schiedswelt

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Diese Woche findet in Wien der 20. "Willem C. Vis Moot Court" statt. Vor Schiedsrechtsexperten aus aller Welt treten Studenten zum Wettbewerb an.

Wien. Wien wird dieser Tage von „Mooties“ aus aller Welt bevölkert. So nennen sich die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines international beachteten Wettbewerbs unter Studierenden im Schiedsrecht, wobei sich der Name von „Moot Court“ ableitet, Englisch für „fiktives Gericht“. Mindestens zweiköpfige, meist aber wesentlich größere Teams von 292 Universitäten aus 67 Ländern haben sich zum „Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot“ eingefunden, der bereits zum 20.Mal in Wien stattfindet und heuer vor 900 echten Schiedsrichtern für echte Wirtschaftsstreitigkeiten ausgetragen wird.

„Infolge der Globalisierung wächst die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit“, sagt Paul Oberhammer, Professor für Zivilverfahrensrecht an der Universität Wien und selbst erfahrener Schiedsrichter. „Sie ist das Mittel der Wahl für internationale Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen.“ Die Schiedsgerichtsbarkeit basiert auf einer Vereinbarung der Streitparteien – entweder schon beim Vertragsschluss, der später zu Streit führt, oder „ad hoc“. Die Vorteile: Die Parteien können sich diejenigen Richter aussuchen, die sie für geeignet halten (in der Regel je einen auf beiden Seiten, die dann zusammen einen Vorsitzenden wählen); das Verfahren kann rascher abgewickelt werden als vor den staatlichen Gerichten; die Verfahrenssprache kann einvernehmlich frei gewählt werden (während in Österreich selbst englischsprachige Unterlagen vor Gericht übersetzt werden müssen); der Streit bleibt, wie Oberhammer es ausdrückt, in der „Business Community“, die etwas anders tickt als die staatlichen Gerichte und überdies im Verborgenen wirkt, während Gerichte öffentlich arbeiten.

Wie ein Schiedsverfahren abläuft, das lernen die „Mooties“ unter anderem beim aktuell laufenden „Vis Moot“. Die Studierenden aus allen Kontinenten haben sich ein halbes Jahr lang in den fiktiven Fall eines internationalen Kaufliefervertrags eingearbeitet: Eine Textilkette hat Poloshirts gekauft, die – entgegen der eigenen Unternehmensphilosophie – unter Einsatz von Kinderarbeit erzeugt wurden. Über Rechtsfragen zu Rücktritt, Imageschäden und Ähnlichem ließ sich mit Kläger- und Beklagtenschriftsätzen trefflich streiten. In Wien treten die Teams mündlich gegeneinander an, bis am Gründonnerstag in der Messe Wien das Siegerteam feststeht.

„Community gestärkt“

„Der ,Vis Moot‘ hat dazu beigetragen, die Schieds-Community in Wien zu stärken“, sagt Anwältin Patrizia Netal, Partnerin bei SSFP in Wien. Netal ist Vizedirektorin des „Vis Moot“ und maßgeblich an der Organisation beteiligt.

Für acht Studierende der Universität Wien – diese hat es 2005 bis ins Finale geschafft und musste sich nur der Stetson University (Florida) geschlagen geben – bot sich die Möglichkeit, ein halbes Jahr lang unter intensiver fachlicher Betreuung in Englisch zu arbeiten und die diesmal anzuwenden Schiedsregeln des „Chinese European Arbitration Centre“ (CEAC) zu erlernen.

Weltrecht ohne Gesetzgeber

Für Oberhammer, den Betreuer des Wiener Teams, geht es aber um weit mehr als den – zweifellos gegebenen – Profit der Teilnehmer. Österreich, das noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs einen Ruf als neutraler Schiedsort aufgebaut hat, kann sich als guter Standort zum Schlichten von Konflikten präsentieren. Das Land rangiere regelmäßig unter den Top-Ten-Standorten im Ranking der Internationalen Handelskammer in Paris. Dazu kommt die Faszination des Schiedsrechts: „Es fließen Rechtsvorstellungen aus aller Welt zusammen, und diese sind eingebettet in die Schiedsszene, die die internationale Judikatur studiert“, schwärmt Oberhammer. „Ohne Weltgesetzgeber entsteht ein weltweit existierendes Recht, ein globales Verfahrensrecht, mit dessen Hilfe man Konflikte bewältigt.“

Auf einen Blick

Willem C. Vis (1924–1993) war Niederländer und als Sekretär der Uncitral (United Nations Commission on International Trade Law) führend an der Ausarbeitung des UN-Kaufrechts und der Uncitral-Schiedsregeln beteiligt. Nach ihm ist ein internationaler Schiedsrechtswettbewerb benannt, der dieser Tage zum 20.Mal in Wien stattfindet und tausende (teils werdende) Schiedsexperten anlockt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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