Formel 1: Fügsame Rennfahrer werden nie gewinnen

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Rivalität ist für viele Piloten der beste Treibstoff. Vettel macht es Großmeistern wie Senna und Schumacher nach – noch entschuldigt er sich.

Sepang/Wien. Erbitterte Feindschaften sind in der Formel 1 das Salz in der Suppe. Nichts ist für ehrgeizige Piloten schöner, als dem Erzrivalen den Auspuff zu zeigen, ihn zu überholen, auszubremsen oder ihm den Sieg auf der Zielgeraden wegzuschnappen. Es muss nicht immer der Teamkollege sein, der das größte Ärgernis darstellt. Doch zumeist ist er es: aber nicht, weil er besser fährt, schneller ist und den Rennwagen besser versteht. Sondern weil ihn das eigene Team bevorzugt.

In diesem Fall ist die Formel 1 einzigartig – sie hat ihre Teamorder kultiviert. Legendär ist weiterhin die Anweisung des heutigen FIA-Präsidenten, Jean Todt, der Rubens Barrichello beim GP von Spielberg 2002 auf der Zielgeraden zurückgepfiffen hat, um Michael Schumacher den Sieg zu „schenken“. Der damalige Ferrari-Teamchef machte es sogar öffentlich, über den Boxenfunk, im Live-TV: „Let Michael pass for the Championship...“

Freilich eine Farce, aber mit einem eklatanten Unterschied zu dem am Sonntag mit dem Malaysia-Manöver zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber neu entflammten Teamkrieg: Schumacher hätte sich niemals dafür entschuldigt. Dafür war der Rekordweltmeister zu sehr auf den Erfolg fixiert. Dreifach-Champion Vettel aber musste, womöglich auf Geheiß des Teams, Stellung nehmen. Einem Schulkind ähnlich sagte der neue WM-Führende: „Es tut mir leid, ich habe Mist gebaut.“

Nach dem GP sickerten zusehends interessante Details durch. Dietrich Mateschitz soll es Webber vor Saisonstart höchstpersönlich freigestellt haben, noch ein Jahr bei seinem Team zu bleiben und dafür auf das Engagement von Lewis Hamilton verzichtet haben. Webber, 37 und in seiner letzten Saison, muss also sehr wohl gewusst haben, worauf er sich als Nummer zwei einlässt.

Ein australischer Wettanbieter hat all jenen, die auf einen Sieg Webbers gesetzt haben, den Einsatz zurückbezahlt. Dass Vettel dadurch ruhiger schlafen kann, ist unwahrscheinlich. Wer Weltmeister werden will, kennt weder Scheu noch Fügsamkeit.

Nichtangriffspakt aufgekündigt

Die „Mutter aller F1-Duelle“ wird Ayrton Senna und Alain Prost angedichtet. Ihr Konkurrenzdenken führte 1989 und 1990 sogar zu schweren Unfällen in Suzuka, der Brasilianer hatte den zuvor in Imola geschlossenen Nichtangriffspakt aufgekündigt. Es folgten WM-Siege, Feiern, doch der Streit der McLaren-Stars wurde nie beigelegt. Prost sagt heute noch, dass „Senna mich damals auf der Strecke nicht besiegen, sondern demütigen wollte“. Das sei seine „größte Schwäche“ gewesen.

Dass der Franzose ein eigenwilliger Charakter ist, hat schon seine Rivalität in der Saison 1984 mit Niki Lauda bewiesen. Der Österreicher hat mit solcher Konkurrenz jedoch beste Erfahrungen gemacht, als er 1976 James Hunt erbitterten Widerstand geleistet und erst im Regenrennen von Fuji freiwillig aufgegeben hat.

Konflikte dieser Größenordnung gibt es in der Königsklasse sonder Zahl. Nigel Mansell und Nelson Piquet lieferten sich 1987 erbitterte Überholmanöver. Einen einzigen Zweikampf bot auch die Fahrerpaarung Mika Häkkinen und David Coulthard. Auch sie erlebte in Spielberg ihren Höhepunkt. 1999 kollidierten die McLaren-Piloten auf dem A1-Ring in der ersten Runde und ebneten Eddie Irvine so den Weg zum Sieg.

2007 profitierte Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen vom Hassduell zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso. In Ungarn blockierte der Spanier Hamilton und wurde strafversetzt. Der Finne gewann als lachender Dritter die Fahrer-WM letztlich mit nur einem Punkt Vorsprung.

Seit der Kollision von Istanbul 2010 sind Vettel und Webber auf dem Kriegsfuß. Als Rennfahrer war Vettels Entscheidung, nun den GP von Malaysia am Sonntag gewinnen zu wollen, sogar nachvollziehbar. Dass es eine Abmachung gab und sein Team dadurch unter Drück geriet, ist für den Deutschen wohl nur eine Momentaufnahme.

Erstmals hat sich der 25-Jährige in Eigenregie über alle Interessen hinweggesetzt. Vettel wandelt auf Sennas und Schumachers Spuren. Er lernt (noch). Der Ansatz, er hätte sich doch zurücküberholen lassen können, ist ein frommer, nein, vollkommen naiver Wunsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2013)

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