Europa steht heute besser da als am Anfang der Krise

Der Euro als Zahlungsmittel funktioniert, und die Neuverschuldung der Staaten sinkt. Europas Bürgern bringt die Krisenbekämpfung aber schmerzhafte Einschnitte.

Zuerst Zypern, nun bald vielleicht Slowenien. Zuvor bereits Griechenland, Portugal und Irland. Die Liste jener EU-Mitgliedsländer, die bereits Hilfe von den anderen Staaten der Eurozone benötigen oder kurz davor stehen, wird von Tag zu Tag länger. Es scheint, als würde die vor vier Jahren ausgebrochene Staatsschuldenkrise trotz aller Gegenmaßnahmen schlimmer und schlimmer. Doch dieser Eindruck täuscht.

Europa gleicht derzeit einem schwer kranken Patienten: Die seit Langem bestehenden Wunden brechen zwar öffentlichkeitswirksam auf, dennoch zeigt die seit einigen Jahren verabreichte Medizin langsam ihre Wirkung. Der Patient ist also gesünder als bei Ausbruch der Krankheit, obwohl er vordergründig damals noch besser ausgesehen hat. Das beweist etwa ein Blick auf die harten Zahlen der Statistik. So halbierte sich seit 2009 das durchschnittliche Budgetdefizit in der Eurozone. Strukturell – also bereinigt um konjunkturelle Einflüsse – liegt es laut der Prognose für 2013 sogar bei nur noch minus 1,3 Prozent.

Das ist zwar immer noch weit von jenem Level entfernt, bei dem von einer fiskalpolitischen Gesundung gesprochen werden kann. Dennoch sollte diese positive Tendenz nicht kleingeredet werden. Besonders stark verbessert hat sich übrigens das viel gescholtene Griechenland, das sein strukturelles Minus bereits vollständig reduzieren konnte. Anders die Situation in Österreich, wo man zwar eine wesentlich bessere Ausgangslage hatte, wichtige Reformen – etwa im Pensionssystem – aber nach wie vor zu gering ausfallen.

(C) DiePresse

Alles eitel Wonne also? Keineswegs. Selbst wenn sich Europa auf dem richtigen Weg zu befinden scheint, um aus der Intensivstation zu kommen, bedeutet dies noch lange nicht, dass es am Ziel ankommen wird. Denn gerade in den vergangenen Wochen kamen vor allem aus Frankreich immer wieder Bestrebungen, die bisherige Medizin Europas gegen die Schulden in Form einer Konsolidierung der Staatshaushalte (von Sparen im eigentlichen Sinn kann ja ohnehin nicht gesprochen werden) aufzuweichen. Dieses vor allem von linken Ökonomen propagierte „Herauswachsen aus der Krise auf Pump“ wäre jedoch ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, das schlussendlich in einem noch größeren Schuldendesaster enden würde.

Europa tut gut daran, an der bisher angewandten Therapie festzuhalten – auch wenn sie alles andere als schmerzfrei ist. Besonders direkt spüren dies naturgemäß die Krisenländer des Südens, in denen etwa im Gesundheitsbereich massive Einschränkungen hinzunehmen sind. Hier sollte natürlich gewährleistet werden, dass gewisse Mindeststandards nicht unterschritten werden. Doch dass ein wirtschaftlich schwacher Staat wie Griechenland sich dauerhaft einfach kein Sozialsystem auf deutschem Niveau leisten kann, sollte auch den Kritikern der Austeritätspolitik klar sein.


Einschnitte bringt die Krisenbekämpfung aber natürlich auch für die Bürger außerhalb der Krisenstaaten. So scheint die Inflation zwar geringer anzusteigen, als berechtigterweise befürchtet wurde. Wer heutzutage Vermögen auf der Bank deponiert, verliert aber in jedem Fall, auch ohne Crash des Finanzinstituts wie in Zypern. Denn die Zinsen liegen noch deutlich unter der Inflationsrate – und werden wahrscheinlich auch noch längere Zeit dort verweilen. Der Abbau der Schulden, die etwa für Hilfszahlungen an die Krisenländer aufgenommen wurden, wird also „sanft“ von den Sparern getragen.

Die Bekämpfung der Krise verlangt also allen Europäern etwas ab – egal, ob sie direkt oder „nur“ über ihr Sparkonto betroffen sind. Jede andere Erwartung wäre jedoch auch naiv gewesen. Dennoch fällt die Zwischenbilanz nach vier Jahren positiver aus, als viele vermeinen würden. So wurde nicht nur das ungehemmte Gelddrucken schlussendlich nicht umgesetzt, auch fatale Ideen wie Eurobonds sind wieder aus der öffentlichen Diskussion verschwunden, während der Euro als Zahlungsmittel nach wie vor funktioniert. Und das sollte uns für den Patienten Europa in jedem Fall optimistisch stimmen.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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