'Bilderbuchkarrieren': Opposition kritisiert Vergabepraxis

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Vergabepraxis Dringliche Fragen Beraterparadies(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der Nationalrat debattiert über die Auftragsvergaben des Innenministeriums. Diese seien ohne Kontrolle und Prüfung erfolgt.

Der Nationalrat debattiert am heutigen Mittwoch über die umstrittenen Auftragsvergaben des Innenministeriums. Die Opposition hat nach einem äußerst kritischen Rechnungshof-Bericht gemeinsam eine Sondersitzung beantragt. Der RH hatte die Vergaben im Ministerium vor allem in der Ära der Ressortchefs Günther Platter und Maria Fekter (beide ÖVP) zerpflückt. Auf Kritik stießen vor allem möglicherweise unzulässige Direktvergaben sowie fehlende Leistungskontrollen.

Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz kritisierte zum Auftakt die Tätigkeit von Christoph Ulmer bei der Vergabe des Blaulichtfunk-Projekts ein. Der Ex-Kabinettschef des früheren VP-Ministers Ernst Strasser war vom Ministerium als Berater engagiert worden und führte Gespräche mit den Bietern - vor den offiziellen Vergabeschritten.

"Ulmer und der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly stehen am Beginn der Netzwerke, die im Innenministerium ihr Zentrum haben, aber ganz bestimmt ins Finanz- und Umweltministerium reichen", so Pilz. "Vom Hendlflügerl zum Eurofighter - Bilderbuchkarrieren wie diese sind ohne die ÖVP nicht möglich", spielte er auf die berufliche Laufbahn von Mensdorff-Pouilly an, der mit der früheren VP-Ministerin Maria Rauch-Kallat verheiratet ist.

Mikl-Leitner verteidigt Vorgehen

Ferner wies Pilz darauf hin, dass diverse größere Aufträge an die Agentur Headquarter vergeben wurden, in der unter anderem Ulmer, aber auch der heutige Hauptgeschäftsführer der Tiroler ÖVP, Martin Malaun, tätig waren. Als weitere VP-nahe Auftragnehmer nannte er etwa Günther Kienpointner, den ehemaligen Pressesprecher von Fekter Martin Brandstötter sowie das frühere Kabinettsmitglied Wolfgang Gattringer. "Frau Innenministerin, sind Sie bereit, mit dieser Tradition zu brechen?", fragte Pilz und überließ VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner das Wort.

Die Ministerin wies den Vorwurf der verdeckten Parteienfinanzierung sogleich "mit Entschiedenheit" zurück. Das Ministerium erfülle alle gesetzlichen Vorgaben und habe dies auch in der Vergangenheit getan. Es werde nach dem Sechs-Augen-Prinzip vorgegangen, die Vergaben seien "rechtlich zulässig und wirtschaftlich zweckmäßig" gewesen. Wer genau im Ressort für die jeweiligen Auftragsvergaben verantwortlich gewesen sei oder welche Qualifikationen jeweils für die Auftragserteilung ausschlaggebend gewesen seien, blieb aber offen.

"Das hat in einer Demokratie nix verloren"

Deutliche Worte fand am Mittwoch der SP-Abgeordnete Otto Pendl: Die Person Ulmer ziehe sich "wie ein roter Faden" durch den RH-Bericht. "Mir geht es darum, dass solche Abläufe nicht mehr vorkommen", sagte er. "Solche Abläufe haben in einer modernen Demokratie nix verloren." VP-Klubobmann Karlheinz Kopf wandte sich klar gegen die Vorwürfe. Es sei "durchaus nachvollziehbar", dass Regierungsmitglieder "nicht hergehen, und bei der Strategieberatung Berater aus dem Umfeld des politischen Mitbewerbers" zur Rate ziehen. Überhaupt sei durch das Vorgehen keinerlei Schaden für die Republik Österreich entstanden.

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache sprach hingegen von einem "Affront". Inhaltlich kritisierte er unter anderem, dass die Grenze der freihändig zu vergebenden Aufträge von 100.000 Euro laut RH häufig unterlaufen worden seien und verwies auf Aufträge, die genau mit 99.999,99 Euro beziffert worden waren. "Sicher ein Zufall", sagte der Parteichef sarkastisch. BZÖ-Klubobmann Josef Bucher ortete schließlich eine "blanke Verhöhnung des Parlaments". "Es ist beschämend und eine Farce, wie sie sich heute im Hohen Haus verhalten haben, Frau Ministerin", wandte er sich an Mikl-Leitner. Das Team Stronach sprach von einem "Selbstbedienungsladen" und einem "Geldverschwendungsministerium".

(Red./APA)

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