Die Vertreibung aus dem Steuerparadies

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Ein riesiges Datenleck enthüllt das System der Steueroasen und liefert Informationen über 130.000 Gründer von Briefkastenfirmen.

Berlin/Wien/Gau/Rie. Es ist nur eine einfache Festplatte, aber sie könnte wie eine Bombe wirken. Ihre Daten steigern den Druck auf Steueroasen, ob auf den karibischen Inseln, in der Südsee oder Singapur. Mit der Diskretion, dem ehernen Prinzip aller Holdings und Trusts unter Palmen, ist es seit Donnerstag dahin: Ein Netzwerk von Medien aus 46 Ländern hat „Offshore-Leaks“ publik gemacht, das bisher größte Datenleck.

Vor gut einem Jahr übergab ein anonymer Informant dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington die streng vertraulichen Daten, abgeschöpft von Servern, die via Internet zugänglich waren. Sie gehören zwei britischen Unternehmen, die in der Errichtung von Briefkastenfirmen weltweit führend sind: Portcullis Trustnet und Commonwealth Trust Limited. Was sie tun, ist nicht illegal. Aber was dahintersteckt, liegt oft jenseits der Grenze des Legalen.

Die Informationen führen zu 130.000Begünstigten – darunter Potentaten und Promis, Waffenschieber und Anlagebetrüger, korrupte Politiker und Unternehmer aus dem Mittelstand. Die einen wollen schmutziges Geld waschen, die anderen nur Steuern hinterziehen. Sie fürchten den Fiskus, den Geschäftspartner oder die Exfrau.

In Erklärungsnot könnte etwa Jean-Jacques Augier geraten, der Wahlkampfmanager von Frankreichs Präsident Hollande. Mitglieder der Präsidentenfamilie Alijew in Aserbaidschan sind im Visier. Und vielleicht klärt sich nun auch auf, wo das Vermögen des philippinischen Diktators Marcos geblieben ist (siehe Seite 2). Auch der Playboy Gunter Sachs, der vor zwei Jahren Selbstmord beging, legte sich ein kompliziertes Geflecht von Briefkastenfirmen zu. Zum Handkuss kommen freilich auch Bürger, die deklarierte Finanzmittel in der Karibik parken, um ganz legal einer Vermögensteuer in ihrer Heimat zu entgehen. Ihre „Aufdeckung“ ist der Kollateralschaden der groß angelegten Indiskretion.

Wer aus Österreich?

Sind auch Österreicher unter den Tätern und Opfern? Am nächsten an der Antwort sind deutsche Kollegen, die sich an der Recherche beteiligt haben. Peter Hornung vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) sagte zur „Presse“: „Wir haben bei der Durchsicht der deutschen Namen keine Österreicher gesehen, die uns als bekannt aufgefallen wären.“ Es sei aber durchaus möglich, „dass sich noch einiges findet“. Ähnliches meldet die „Süddeutsche Zeitung“. Das Finanzministerium in Wien erklärt, man werde der Sache nachgehen, habe aber keine Unterlagen. Immerhin eine Neo-Österreicherin wurde schon publik: Die US-Komponistin Denise Rich, die unter anderem Hits für Céline Dion schrieb, wanderte Ende 2011 in die Alpenrepublik aus.

Das Volumen von „Offshore-Leaks“ macht schwindeln: Es geht um 260 Gigabyte, 150-mal so viel wie bei der diplomatischen Depeschensammlung WikiLeaks. Ein Durcheinander aus Datensätzen, gescannten Briefen, Faxen und Ausweiskopien – oft der einzige Hinweis auf die Identität der Firmengründer. Allein die E-Mails ergeben ausgedruckt etwa sechs Millionen Seiten. Alle Journalisten der Welt könnten ein solches Konvolut nicht auswerten. Möglich wurde die Recherche erst durch eine forensische Software, die gezielt nach Daten sucht und sie in einen deutbaren Kontext stellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2013)

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