Kritiker Löbl: "Ich wollte immer ehrlich sein"

Kritiker Loebl wollte immer
Kritiker Loebl wollte immer(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
  • Drucken

Karl Löbl hat ein Buch geschrieben. Über harte Urteile, private Seitensprünge und warum er froh ist, das er nie Operndirektor geworden ist. Ein "Presse"-Interview.

Die Presse: Sie waren als Kritiker gefürchtet. War es schwer, harte Urteile zu fällen?

Karl Löbl: Nein. Das klingt jetzt so nach einer eitlen, selbstgefälligen Rückschau. Aber es ist mir nie schwer gefallen, weil ich immer ehrlich sein wollte. Ich war auch privat immer ehrlich. So ehrlich, dass, als sich meine Frau mit gutem Grund von mir scheiden lassen wollte, ich zu ihrer Anwältin gegangen bin und gesagt habe, ich muss von etwas leben können, sonst macht, was ihr wollt, ich bin schuld. Darauf hat die Anwältin gesagt, von diesem Mann kann man sich nicht scheiden lassen.

Sie haben nicht versucht, die Ehe zu retten?

Das sowieso. Aber nach sieben Jahren und fünf Seitensprüngen von mir war die Ehe zu retten etwas schwierig geworden. Sie hat dann noch fantastisch gehalten. Ich war mit meiner Frau 58 Jahre beisammen und 56 verheiratet.

Sie waren auch in Ihrem Buch sehr ehrlich.

Das hoffe ich. Verlegerin Maria Seifert und ich saßen im „Theophil“ und ich habe erzählt. Wenn man ständig nachdenkt, ob der andere das verwenden wird, dann wird's nix. Es kommt sehr auf den anderen an, auf dessen Geschmack, Neigung zu Dezenz, dazu, den anderen ein bissl aufzuplatteln.

Das berühmteste Beispiel in Ihrer Karriere kam ja früh, mit Operndirektor Karl Böhm.

Dass ein 26-Jähriger einen Staatsoperndirektor zu Fall bringt. Aber ich bin ja nicht nach Schwechat gefahren, um den zu killen. Sondern ich hab etwas gefragt und er hat eine Antwort gegeben (er denke nicht daran, seine internationale Karriere der Staatsoper zu opfern, Anm.). Da ich einen guten Chefredakteur hatte, war das klarerweise der Aufmacher. Der Gerhard Bacher war der einzige Chef, den ich hatte, der diesen Titel wirklich verdient hat. Mit kleinen Mängeln. Ich wusste, dass er das Goldene HJ-Abzeichen hatte, das hat er nicht von selbst bekommen.

Wie haben Sie Ihre Jugend erlebt, als Sohn eines konvertierten jüdischen Vaters?

Ich bin immer überrascht, wenn ich Interviews mit Otto Schenk sehe. Kürzlich habe ich wieder die Geschichte gehört, dass er gerade noch dem Deutschen Jungvolk entkommen sei. Es ist alles ein bisschen retouchiert. Die Geschichte ist sehr einfach. Ein Ehepaar, das den Rassegesetzen teilweise nicht entsprochen hat, war glücklich, wenn Tarnungen passiert sind. Meine Eltern waren nicht entsetzt, als ich mit Braunhemd vom Jungvolk gekommen bin.

Sie waren dann ab der Schulzeit Kritiker.

Ich weigere mich entschieden, dass immer meine kritische Tätigkeit in den Vordergrund geschoben wird. Und die Sendung „Lieben Sie Klassik?“ Ich habe gestern einen rührenden Brief dazu bekommen, acht Seiten eines mir völlig fremden Menschen. Ich gebe zu, solche Sachen hauen mich um.

Waren Sie bei „Nach der Premiere“ am nächsten Tag immer der gleichen Meinung?

Es ist möglich, dass Sie jetzt enttäuscht sind, aber ich habe am nächsten Tag darüber nicht nachgedacht. Ich musste in dem Moment die Selbstsicherheit haben und riskieren, dass mich Leute hassen. Ziemlich zufrieden mit mir bin ich, dass ich von selbst 1998 aufgehört habe, weil ich das Gefühl hatte, mit den Auswüchsen eines eitlen Regietheaters nicht zurande zu kommen, aber dass ich den jungen Leuten nicht den Theaterbesuch verpatzen soll.

Wären Sie gern Operndirektor geworden?

Naturgemäß sehr gern, und ich hätte es mir auch zugetraut. Ich bin froh, dass ich es nicht geworden bin, weil ich säße heute nicht hier. Jedes Mal, wenn mir in der Oper etwas missfallen hat, hat mich meine Frau gefragt: Was tätest du, wenn du Direktor wärst? Ich habe nicht gesagt, bei mir wäre das nicht passiert, weil ich gelernt habe, dass solche Dinge halt passieren. Ich hab gesagt, ich hätte mir die Kugel gegeben.

Auf einen Blick

Karl Löbl (82) begann seine Karriere als Musikkritiker bei der „Weltpresse“, war dann bei „Bild-Telegraf“, „Express“, „Kurier“ und von 1980–1995 ORF-Kulturchef. Er gestaltete die Radiosendungen „Lieben Sie Klassik?“ und „Klassik-Treffpunkt“. In „Nach der Premiere“ kommentierte er live vom Balkon. Buch: „Der Balkonlöwe“ (Seifert Verlag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.