Deutschland prüft Ermittlungen gegen 50 KZ-Wärter

Auschwitz Gedenkstätte
Auschwitz GedenkstätteEPA
  • Drucken

Die Ermittler sind früheren Aufsehern des KZ Auschwitz auf der Spur. Das Wiesenthal-Zentrum zeigt sich "hocherfreut" und hofft auf Anklagen.

Rund 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind deutsche Fahnder einer größeren Zahl mutmaßlicher NS-Täter auf die Spur gekommen. Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen will nach Informationen der Zeitungen der WAZ-Mediengruppe in den nächsten Wochen Vorermittlungen gegen 50 frühere KZ-Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einleiten. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord.

Den Ermittlern lägen die Namen und die Angaben zu den Wohnorten der Tatverdächtigen vor, erklärte der Behördenleiter, der Leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm. Die Verdächtigen lebten über ganz Deutschland verteilt. Es handle sich um Personen im Alter um die 90 Jahre.

"Wir versuchen zunächst herauszufinden, gegen wen eine Strafverfolgung juristisch noch möglich ist", sagte Schrimm. Sollte es gegen Einzelne in der Vergangenheit bereits Gerichtsverfahren wegen ihrer Rolle in Auschwitz gegeben haben, so könnten diese nicht noch einmal belangt werden. Bei denjenigen unter den 50 Männern, die sich noch nicht vor Gericht hätten verantworten müssen, versuchten die Ermittler "zu rekonstruieren, wann er wo was gemacht hat". Derzeit stünde seine Behörde aber noch am Anfang ihrer Ermittlungen. Sollten sich bei den Untersuchungen der Verdacht erhärten, dass jemand für seine Rolle in Auschwitz zur Verantwortung gezogen werden könnte, gäbe die Behörde die Akten an die Staatsanwaltschaft des Wohnorts des Verdächtigen zur Ermittlung weiter.

Nach der Prüfung der mutmaßlichen ehemaligen Auschwitz-Wärter wollen die Fahnder ihre Ermittlungen ausdehnen. "Wir haben auch die anderen Vernichtungslager und die Einsatzgruppen im Blick", sagte Schrimm.

Zuroff: "... dann werde ich Hallelujah schreien"

Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Israel, Efraim Zuroff, zeigte sich "hocherfreut, dass diese Fahndungen jetzt begonnen haben". Er sei allerdings Realist und erwarte nicht, dass alle 50 mutmaßlichen KZ-Aufseher aus Auschwitz wirklich vor Gericht gestellt werden. "Wenn fünf bis zehn angeklagt werden, werde ich mich mitten in Berlin hinstellen und laut Hallelujah schreien", sagte Zuroff.

Man habe sich schon vor längerer Zeit mit den deutschen Ermittlern getroffen und sie "dazu ermutigt, die Bemühungen um eine Bestrafung der Täter auf ein Maximum zu verstärken", sagte Zuroff. Das Urteil gegen den einstigen Wachmann im Lager Sobibor, John Demjanjuk, habe "die Spielregeln völlig verändert", erklärte der Nazi-Jäger. Demjanjuk war 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Dieses Urteil ermögliche heute eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord "von all jenen, die in Todeslagern gedient haben, ohne dass man speziell beweisen müsste, dass sie persönlich jemanden umgebracht haben", sagte Zuroff. "Das ist eine völlig neue Situation." Die neue Rechtslage spiegle die komplizierte Wirklichkeit während des Holocaust wider. Es sei vorher praktisch unmöglich gewesen, vor Gericht im Einzelfall eine Verantwortung zu beweisen.

Er sehe aber keine Gefahr, dass deshalb "kleine Rädchen" in der NS-Todesmaschinerie ungerechterweise verurteilt werden. "Allein der Ausdruck kleines Rädchen ist für mich inakzeptabel", sagte Zuroff. "Wegen all dieser kleinen Rädchen wurde in den Vernichtungslagern mit einer so großen Effizienz gemordet."

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Verfahren gegen Nazis (im Bild der Oberste Gerichtshof bei einem Prozess 1964) endeten oft mit Freispruch.
Zeitreise

NS-Vergangenheit: Vor Anklage gegen vier Altnazis?

Während das Simon-Wiesenthal-Zentrum im aktuellen Jahresbericht Österreichs Justiz kritisiert, verweist das Justizministerium auf jüngste Recherchen: Experten suchen nach ungesühnten Verbrechen.
WiesenthalZentrum Jagd Nazis mangelhaft
Zeitreise

Jagd auf Nazis in Österreich "mangelhaft"

In Österreich fehle der politische Wille, NS-Verbrecher vor Gericht zu bringen, kritisiert das Wiesenthal-Zentrum. Deutschland und die USA ernten Lob.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.