US-Medien schaffen die "illegalen Immigranten" ab

US-Medien schaffen die
US-Medien schaffen die "illegalen Immigranten" ab(c) REUTERS (EDGARD GARRIDO)
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Die Associated Press rät davon ab, Menschen als „illegal“ zu bezeichnen. Den Begriff „Islamist“ wiederum möchte sie vom Terror trennen.

Morgen, Mittwoch, werden zehntausende Menschen in Washington vor dem Kapitol für eine Reform der US-Einwanderungsgesetze demonstrieren. Die meisten dieser Aktivisten sind Lateinamerikaner. Viele haben keine Rechtsgrundlage für ihren Aufenthalt in den USA; sie sind heimlich über die mexikanische Grenze gekommen oder nach Ablauf ihres Touristenvisums einfach geblieben. Wenn amerikanische Medien über diese Menschen berichten, nennen sie sie zumeist „illegal immigrants“ oder „illegal aliens“.

Das dürfte sich nun ändern. Denn nach Ansicht der Associated Press (AP) ist es eine klischeehafte Herabwürdigung, Menschen als „illegal“ zu bezeichnen. In ihrer neuen Ausgabe des „AP Stylebook“ rät Amerikas führende Nachrichtenagentur dazu, statt „illegaler Einwanderer“ von Personen zu schreiben, die „illegal oder ohne rechtliche Erlaubnis in ein Land kommen oder dort leben“ (im englischen Original: „living or entering a country illegally or without legal permission“).

Das „AP Stylebook“ ist in Fragen der Grammatik, Interpunktion und Nomenklatur richtungsweisend für so gut wie jede amerikanische Redaktion. Es ist also zu erwarten, dass der „illegale Immigrant“ nach und nach verschwinden wird. Margaret Sullivan, die Ombudsfrau der „New York Times“, erklärte in ihrem Blog, dass die „Times“ diesen Begriff zwar nicht gänzlich abschaffen, allerdings eine nuanciertere Wortwahl treffen wolle.

Wer hinter diesen Entscheidungen bloß politische Korrektheit vermutet, irrt. Kathleen Carroll, die Geschäftsführerin der AP, erklärte in einer Aussendung, dass es darum gehe, „Etiketten“ für bestimmte Gruppen von Menschen und die komplexen Umstände illegaler Einwanderung zu vermeiden. Zur Veranschaulichung: Ein Drogendealer, der mit gefälschtem Pass und kriminellen Absichten in die USA einreist, setzt ein ganz anderes Verhalten an den Tag als ein Baby, das von seinen zwecks Arbeitssuche über die Grenze geschlichenen Eltern in die Vereinigten Staaten kommt.

Es geht der AP also um eine präzisere Beschreibung dessen, was ist beziehungsweise war. Auch im vergangenen Jahr sorgte so eine Änderung des „Stylebook“ für Schlagzeilen: Die AP riet davon ab, die Konzentrations- und Todeslager der Nazis auf dem heutigen Staatsgebiet Polens als „Polish death camps“ zu bezeichnen – ein Grundsatz, den auch deutschsprachige Redaktionen wie jene der „Presse“ zu beachten versuchen.

Weniger Aufmerksamkeit erhielt eine zweite Änderung im heurigen „Stylebook“: Die AP rät Journalisten, das Wort „Islamist“ nicht als Synonym für islamische Extremisten zu verwenden. Denn nicht jeder Islamist, der einen Gottesstaat anstrebe, tue dies mit gewalttätigen Mitteln. Auch hier geht es um Klarheit, nicht politische Korrektheit – auch wenn diese feine Unterscheidung im Lärm der öffentlichen Erregung oft untergeht.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2013)

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