Nicolas Maduro will sich als Chávez-Kopie dessen Erbe sichern

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Oppositionskandidat Capriles lieferte bei der Präsidentenwahl dem Wunschnachfolger des verstorbenen Comandante ein knappes Rennen.

Buenos Aires/Caracas. Das erste ihrer Ziele haben die Chavisten am Donnerstag erreicht: Sie füllten sieben komplette Avenidas in Venezuelas Hauptstadt Caracas mit mehr als einer Million Menschen in roten Hemden und Mützen.

Niemand wird je erfahren, wie viel Geld dem gezausten Staatshaushalt entnommen wurde, um die Mega-Fiesta zum Abschluss des Wahlkampfes zu organisieren, für die wie gewohnt Staatsangestellte und Angehörige der öffentlichen Erdölfirma PDVSA aus dem ganzen Land zum organisierten Jubel angekarrt wurden – zusätzlich zu jenen Hunderttausenden, die wirklich glauben, dass Nicolás Maduro der geeignete Mann ist, um im Präsidentenpalast Miraflores zu residieren.

Am Sonntag wählen die Venezolaner nach nur zehn Tagen Wahlkampf den Mann, der wohl das schwerste Erbe antreten muss, das derzeit in Südamerika zu vergeben ist: jenes von Hugo Chávez. Als der Comandante am 5.April starb, ging alle Welt davon aus, dass die nationale Emphase dem von Chávez selbst im TV zum Wunschnachfolger erklärten Maduro einen ungefährdeten Wahlsieg eintragen würde. So eindeutig waren die Meinungsumfragen, dass die Opposition zeitweise erwog, einen Elder Statesman für das vermeintlich aussichtslose Rennen zu nominieren, um nicht ihren besten Mann, Henrique Capriles Radonski, zu verbrennen.

Der Mann mit dem Vogel am Kopf

Doch der im Dezember wiedergewählte Gouverneur des Staates Miranda entschloss sich, trotz aller Widrigkeiten gegen Maduro anzutreten und schaffte es, jenen Funken wieder zu entzünden, der ihm im Oktober gegen den kranken Chávez 6.591.304 Wählerstimmen einbrachte – gegenüber 8.191.132 pro Chávez. Nun, kurz vor dem Wahltag deuten die jüngsten Umfragen darauf hin, dass Capriles dieses Ergebnis noch verbessern könnte. Dass er es tatsächlich schaffen wird, die Präsidentschaft zu erobern, glauben aber nur er und seine treuesten Anhänger.

Damit gar keine Diskussionen aufkommen, hat Maduro am Donnerstag von den Seinen einen „K.-o.-Sieg“ gefordert, ganz in der Diktion des Comandante. Seit dessen Abreise in die kubanische Klinik im Dezember hat Maduro immer wieder versucht, die populären Posen des Massenbeschwörers zu imitieren – und hinterließ damit Eindrücke zwischen hölzern und lächerlich.

Maduro, der als Außenminister seit 2006 zumeist im eleganten dunklen Anzug auftrat, gab sich nun alle Mühe, volksnah zu erscheinen und führte Trainingsjacken, Kunstseidenblusons und – trotz fehlender Militärkarriere – Armee-Khaki vor. Er trug bei den Wahlkampfauftritten Baseballmützen und Strohhüte, einer war gar gekrönt von einer Vogelatrappe. Zu Beginn des Wahlkampfs hatte Maduro verkündet, der Geist des Hugo Chávez sei ihm erschienen – in Gestalt eines kleinen Singvogels. Zuletzt verzichtete Maduro auf den Vogelhut ebenso wie auf das Pfeifen, mit dem er vor den Anhängern der Revolution den Spiritus des verehrten Comandante beschwören wollte.

Die helfende „Hand Gottes“

Fußballtechnisch bekam Maduro zum Finale Unterstützung vom alten Chávez-Amigo Diego Maradona. Als Ehrengast im roten Hemd balancierte der ergraute Wunderwuzzi Bälle wie einst als Jugendlicher im Vorprogramm der Ligaspiele seines Vereins Argentinos Juniors. Mit solchen Aktionen vermieden es die Chavisten, tiefere Inhalte zu thematisieren. Denn die aktuelle Realität des Landes – zwischen explodierender Kriminalität und wirtschaftliche Krise – gibt wenig Wahlkampfmunition her, zumindest für die Regierung. Oppositionsführer Henrique Capriles, der gegenüber Maduro einen deutlich aggressiveren Ton anschlug als gegenüber dem kranken Chávez, hat die beiden Abwertungen der Landeswährung Bolívar natürlich ebenso thematisiert wie jene 21.692 Menschen, die im Vorjahr Opfer von Gewalt wurden, nach den Berechnungen des regierungskritischen „Observatorio Venezolano de Violencia“. Weil bekannt wurde, dass vor einigen Wochen ein Angehöriger der regierenden Sozialistischen Partei Zugang zum Betriebssystem der 45.000 elektronischen Wahlmaschinen hatte, warnte Capriles vor möglichem Wahlbetrug am Sonntag. Der nationale Wahlrat CNE ist – ebenso wie der Oberste Gerichtshof des Landes – fast ausschließlich mit Chavisten besetzt, was ebenfalls das Misstrauen des Oppositionskandidaten geweckt hat.

Bei Patt kommt Militär ins Spiel

Sollte es am Sonntag eng werden und einer der Kandidaten das Ergebnis nicht anerkennen, würde die entscheidende Rolle wohl den Streitkräften zukommen. Diese bekamen – noch von Chávez vor seiner Abreise – eine ideologische Führung verpasst. Verteidigungsminister Diego Molero – ein Admiral, der vor seiner Ernennung nie durch militärische Großtaten aufgefallen war – bezeichnete nach dem Tag die Opposition als „Faschisten“. So einseitig hatten sich hohe Militärs noch nie positioniert, seitdem Hugo Chávez 1999 den Präsidentenpalast eroberte.

Auf einen Blick

Nicolas Maduro Moros (*1962) ist der Wunschnachfolger des Anfang März verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. In den Umfragen schmolz der Vorsprung des Interimspräsidenten vor Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski (*1972), dem Gouverneur von Miranda, sukzessive zusammen. Dennoch wird bei der Wahl am Sonntag mit einem Sieg Maduros gerechnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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