Chávez-Bonus fast weg: Opposition ficht Wahl an

Schaumgebremst fiel die Siegesfeier des Chávez-Nachfolgers Nicolás Maduros aus.
Schaumgebremst fiel die Siegesfeier des Chávez-Nachfolgers Nicolás Maduros aus. (c) REUTERS (EDWIN MONTILVA)
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Venezuelas Interimspräsident Nicolás Maduro gewinnt die Präsidentenwahl mit Müh und Not. Gegner Henrique Capriles will das Wahlergebnis nicht anerkennen und fordert eine Neuauszählung der Stimmen.

Caracas/Buenos Aires. Das hatten sich die Erben des Hugo Chávez ganz anders vorgestellt. Bis tief in die Nacht zum Montag musste Nicolás Maduro warten, ehe der nationale Wahlrat CNE den Sieg des ehemaligen Außenministers bei den Präsidentschaftswahlen bestätigte. Es war das knappste Wahlergebnis in der Geschichte Venezuelas. Erst sechs Stunden nach der offiziellen Schließung der Wahllokale veröffentlichte die Wahlbehörde das vorläufige Endergebnis, das nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen dem noch von Hugo Chávez zum Kronprinzen erklärten Maduro einen Vorsprung von nicht mehr als 234.000 Stimmung zumaß.



Laut Wahlbehörde entfielen auf Maduro 50,66 Prozent, während der Oppositionskandidat Henrique Capriles 49,07 Prozent erobern konnte. Als der Wahlkampf vor zwei Wochen begann, hatten Umfragen Maduro noch einen kommoden 15-Prozent-Vorsprung beschieden. Trotz des erheblichen emotionalen Effekts, den der Tod des in großen Teilen der Bevölkerung verehrten „Comandante“ vor sechs Wochen auslöste, und trotz gigantischer medialer und finanzieller Vorteile im Wahlkampf errang der Interimspräsident 600.000 Stimmen weniger als Chávez vor einem halben Jahr.

Sirenengeheul um drei Uhr früh

Es war ein spannender Wahltag, der um drei Uhr früh anbrach, als das Sirenengeheul der Chavisten das Volk aus dem Bett riss. Zwischenzeitlich zeichnete sich inoffiziell ein Vorsprung des Herausforderers ab, worauf die Regierenden mit der Mobilisierung aller Reserven reagierten. Lokale Medien berichten von Bussen, die Flutopfer, Obdachlose und Drogensüchtige einsammelten, um sie in die Wahllokale zu karren. Diosdado Cabello,  Parlamentspräsident und interner Maduro-Rivale, hatte zu Mittag via  Twitter zur totalen Mobilisierung  aufgerufen: „Es schlägt die Stunde der Kavallerie“, schrieb der ehemalige Panzerfahrer und Putschgefährte von Chávez. „Los geht's. Das Volk soll den Willen des obersten Zentaurus erfüllen!“

Als Maduro schließlich gegen Mitternacht vor seine Anhänger trat, bekleidet mit einem Sportblouson in den Nationalfarben Gelb, Rot und Blau, da war ihm die Enttäuschung anzumerken. Er sprach von einem Sieg, der „legal, gerecht und verfassungskonform“ sei. Im Namen des „Christus“ Hugo Chávez rief Maduro zu Frieden und Toleranz auf, was ihn nicht darin hinderte, in derselben Ansprache der Opposition Provokationen und schmutzige Tricks vorzuwerfen. Es sei die erste Wahl ohne den „Giganten“ gewesen. Nun werde „dessen Sohn zeigen, was alles er für das Vaterland wird leisten können“. Auch wenn der Sieg knapp ausgefallen sei, sei es ein Sieg nach demokratischen Regeln gewesen.

Angst vor Gewaltausbruch

Genau das bezweifelte Henrique Capriles. Der Anwalt, der die anti-chavistischen Kräfte aus mehr als 20 Parteien anführt, will das Wahlergebnis nicht anerkennen, bis alle Stimmen einzeln nachgezählt sind. Denn die Wahlzeugen der Opposition meldeten aus den Wahllokalen andere Ergebnisse als der nationale Wahlrat. „Ich sage dem Regierungskandidaten: Der Verlierer heute sind Sie! Sie und Ihre Regierung“, wetterte Capriles.

Er habe eine Liste von 3200 Unregelmäßigkeiten während des gesamten Wahlprozesses vorliegen, erklärte Capriles, der bestritt, der Regierung am Wahlabend einen Pakt vorgeschlagen zu haben. Das hatte Maduro in seiner Rede behauptet. „Ich kungle nicht mit der Lüge oder der Korruption. Mein Pakt ist mit Gott und mit den Venezolanern.“ Er schloss seine Rede mit deutlichen Worten: „Venezuela, das sage ich mit aller Deutlichkeit, dieser Kampf ist nicht beendet.“

Nun geht die Angst um, dass die tiefe Spaltung der Gesellschaft in Gewalt münden könnte. Dabei dürfte den venezolanischen Streitkräften eine Schlüsselrolle zukommen. Am Wahlabend wurde bekannt, dass sich Capriles am Sonntag mit einem der höchsten Kommandeure getroffen hat. Die besten Kontakte zum Militär auf Regierungsseite hat Parlamentspräsident Diosdado Cabello – der parteiinterne Antipode Maduros. Er forderte noch in der Nacht das eigene Lager per Twitter zu „massiver  Selbstkritik“ auf. Nicolás Maduro wird wohl wenig Freude haben an seinem Wahlsieg. Er hat den „Comandante“-Bonus beinahe eingebüßt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2013)

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