Sebastian Kurz: Gut integriert in Wien?

Die Presse
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Seit zwei Jahren ist Sebastian Kurz Staatssekretär für Integration. Im Wiener Rathaus wurde das Integrationsressort vor 17 Jahren gegründet. Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Als die Stadt Wien im Jahr 1996 das Integrationsressort gründete, war Sebastian Kurz (ÖVP) zehn Jahre alt. Ja, Altersvergleiche dieser Art werden Kurz auch weiterhin begleiten. Zwar ist er schon seit genau zwei Jahren Staatssekretär für Integration, aber dass er dieses Amt mit 24 Jahren antrat, war ein mittelgroßes Erdbeben auf österreichischem Politikboden. Heute sind diese Bedenken aus dem Weg geräumt, Kurz ist ein politischer Jungstar.

Seit zwei Jahren also führt Kurz das neue Staatssekretariat, durchaus strebsam, motiviert, gut gelaunt. Sowohl Experten als auch die meisten politischen Gegner sind sich einig: Das Schaffen dieses Amts und das Besetzen desselben mit Kurz hat zu einer Versachlichung der Integrationsdebatte geführt. Und genau das wurde bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt konstatiert – eine nicht unbeeindruckende Entwicklung. Was Sebastian Kurz wohl zugutekam, waren die Integrationsbüros und -initiativen, die zuvor auf Landes- und Gemeindeebene gegründet wurden. Sie konnten jahrelange Erfahrung in diesem Metier vorweisen, eine Infrastruktur, Kontakte zu Migranten und ihren Organisationen.

Vor allem Wien war hier ein „zentraler Akteur“, wie der Migrationsforscher Bernhard Perchinig sagt. Während in Wien aber die Integrationspolitik „gleichstellungsdefiniert“ betrieben werde, also auf Augenhöhe mit den Zuwanderern (jüngstes Beispiel ist die „Wiener Charta“ der rot-grünen Stadtregierung), sei diese Politik im Bund bisweilen bestimmend und nicht partizipativ (ein Beispiel ist der Slogan: „Integration durch Leistung“). Langsam löse sich Kurz von diesen Tendenzen – aber dass der Bund von der Stadt lernen kann, das könne man durchaus sagen, so Perchinig. Erst vor rund einem halben Jahr hat Kurz gefordert, dass die Kinder von Migranten Deutsch vor dem Schuleintritt gut beherrschen sollten. Ist das nicht der Fall, sollten die Kinder in eigenen Klassen gefördert werden. Der Wiener Stadtschulrat ließ ausrichten: Derartige Förderungen gibt es schon.

Eigeninitiative. Es ist das Thema Sprache, bei dem sich zwischen Kurz und den Verantwortlichen für Integrationspolitik auf Stadtebene ein großer Unterschied erkennen lässt. SPÖ und Grüne setzen auf die schulische Förderung der Muttersprache. Kurz will die Muttersprache freilich auch fördern – indem er Eigeninitiativen (z.B. von chinesischen Kulturvereinen, die Chinesischunterricht erteilen) unterstützen will. Rückblickend auf die vergangenen zwei Jahre kann Sebastian Kurz auch feststellen, dass im Überthema Schule und Integration noch einiges an Arbeit bevorsteht. Viele Schulabbrecher seien Migranten. „Da zuzusehen, das ist ein Wahnsinn.“ Bei Begriffen wie „Neue Mittelschule“ und „Gesamtschule“ kann Kurz aber durchaus auch allergisch reagieren: Er könne die Diskussion nicht mehr hören.

Vielmehr solle man darüber reden, wie Volksschullehrer und Kindergartenpädagogen mit Kindern von Migranten am besten umgehen könnten, zum Beispiel in Sachen Spracherwerb – siehe oben. Auch in der Willkommenskultur müsse man besser werden, sagt Kurz, überhaupt einwandererfreundlich agieren, Österreich sei schließlich ein Einwanderungsland. Eine Ansicht, die Kurz mit Vertretern der Wiener Stadtregierung teilt. Diese kritisieren aber auch, dass Kurz keine heißen Eisen anfasse, wie der Grüne Şenol Akkılıç sagt.

In Sachen Anti-Diskriminierung passiere im Integrationsstaatssekretariat kaum etwas: Wenn rassistisch motivierte Handlungen bekannt werden, äußere sich Kurz nicht dazu, während sowohl von den Grünen als auch von der Wiener Stadträtin für Integration, Sandra Frauenberger (SPÖ), durchaus Wortmeldungen kämen. Nun könnte Kurz natürlich darauf hinweisen, dass die Bearbeitung dieser Themen im Innenministerium angesiedelt ist. Für Akkılıç ist das zu wenig: „Konsequente Integrationspolitik braucht konsequente Anti-Diskriminierung.“

Kurz behandle das Thema Integration auf der Oberfläche und auf der Sonnenseite – so könnte die Kritik zusammengefasst werden. Was die bisherige Arbeit des Staatssekretärs aber nicht schmälern solle, wie seine Kritiker auch sagen: Hausbesuche bei Migranten, verbesserte Anerkennung von Qualifikationen, die im Ausland erworben wurden, die Staatsbürgerschaftsreform, wobei Zuwanderer bei „besserer Integration“ leichter die Staatsbürgerschaft bekommen können, (prominente) Integrationsbotschafter, die Schulen besuchen, ein aktiver Dialog mit Vertretern des Islam – um nur einige Punkte zu nennen.

Junge und Migranten. Den Bereich Integration habe er in den letzten zwei Jahren noch mehr lieben gelernt, sagt Kurz. Im Wahlkampf im Herbst werde Integration sehr wohl auch ein Thema sein, zudem wolle er junge Menschen animieren, sich aktiv in der Politik zu engagieren (siehe Infobox unten). Junge und Migranten also. Wobei hier eines schon auffällt: In Vorarlberg heißt die Landesgeschäftsführerin der Jungen ÖVP Necmiye Gönay, in Salzburg heißt der JVP-Landesobmann Asdin El Habbassi. Bundesweit wurden diese beiden bisher aber kaum in den Vordergrund gestellt.

Wahlkampf

Neue Homepage. Ab Sonntag ist die neue Homepage von Sebastian Kurz online. Auf einer Timeline wird der bisherige Werdegang des Staatssekretärs gezeigt – er soll als positives Beispiel für aktive Beteiligung an der Politik dienen. Interessierte können sich hier registrieren und werden von der Jungen ÖVP kontaktiert. Im Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf will Kurz vor allem Junge und Migranten ansprechen. www.sebastian-kurz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2013)

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