Borussia Dortmund könnte nach Mario Götze auch Torjäger Robert Lewandowski, der beim Triumph über Real Madrid Geschichte geschrieben hat, verlieren.
Dortmund/Wien. Der Blick auf die Trainerbank war zunächst ein wenig verwirrend. Jürgen Klopp, der an sich hemdsärmelige Typ von einem Trainer, hatte den Sonntagsanzug angelegt. Und sich sogar eine Krawatte umgebunden. Der Schönling ein paar wenige Meter weiter stand hingegen in der Arbeitskleidung da. Und den Reißverschluss hatte er dabei geschlossen bis zur Nasenspitze. Dortmund hatte mit den „Königlichen“ die Rollen getauscht, José Mourinho schrumpfte im Ruhrpott zu einer Art Handwerker. Dem das nötige Werkzeug fehlt. Der Portugiese, der sich von Real Madrid entfremdet hat, stellte sich als erster Gratulant bei Dortmunds Strahlemännern an, er schüttelte artig die Hand, er trug die Niederlage nach außen hin mit Fassung. Aber es war viel mehr als nur eine Niederlage – es war eine Deklassierung, eine Erniedrigung, eine Demütigung.
José Mourinho wird nachgesagt, einen Fehler kein zweites Mal zu machen, aber gegen diese Dortmunder war er machtlos. Viele Male ist er in seiner Laufbahn nun schon in einem Semifinale der Champions League gestanden, so chancenlos war er nie. Schon in den Gruppenspielen hat sich Real Madrid schwergetan gegen den deutschen Meister, man unterlag im Hinspiel, erreichte daheim nur ein 2:2. Das „Weiße Ballett“, in der spanischen Meisterschaft auch „nur“ Zweiter, damit erster Verlierer, wird die Saison mehr oder weniger erfolglos beenden. Für die Ansprüche, die in Madrid gestellt werden, ist das alles viel zu wenig.
Die Dortmunder Jungstars sind über Real wie ein Orkan hinweggebraust, sie haben Ronaldo und Co. zerzaust, sich von einer unglaubliche Welle der Euphorie tragen lassen. Der Mann, der dem Abend den Stempel aufdrückte, war Robert Lewandowski. Der polnische Nationalstürmer, der mittlerweile von allen Topklubs in Europa gejagt wird, erzielte nicht nur alle vier Treffer (ein Elfmeter), sondern er stellte auch zwei Bestmarken auf. Der 24-Jährige ist der erste Torjäger, der gegen Real Madrid in einem Europacupspiel viermal eingenetzt hat – und Lewandowski ist der erste Spieler, der in einem Champions-League-Halbfinale ein Quattropack gelungen ist. Lewandowski selbst blieb relativ gelassen. Nur in einem ersten Gefühlsausbruch meinte er: „Wahnsinn, das war geil!“ Später sagte er: „Es gibt auch noch ein Rückspiel.“
Lewandowski, der sich so bescheiden gibt, hat sich bei Dortmund zu einem absoluten Weltklassestürmer entwickelt. Die spanische „Marca“ schrieb nicht ohne Grund: „Real erhält eine Tracht Prügelowski.“ Der Real-Killer hat noch einen Vertrag bis Ende kommender Saison, Dortmunds Trainer will ihn nach dem Verlust von Mario Götze auch unbedingt halten, aber das wird ein schwieriges Unterfangen. Obendrein wäre er im Sommer 2014 ablösefrei.
„Es gibt keine Einigung“
Lewandowskis Berater Maik Barthel meinte am Tag nach dem großen Triumph über Real Madrid, man sei mit einem Verein einig. „Wir haben vor, diesen Sommer zu wechseln“, sagt er. „Alle Forderungen des BVB werden erfüllt“, zitiert die „Sport-Bild“ in ihrer Online-Ausgabe.
Ein Angebot soll vom FC Bayern München vorliegen. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke dementierte am gestrigen Donnerstag. Derartige Störfeuer würden ihn auch nicht interessieren. Und eine Einigung mit einem anderen Klub würde es nicht geben. Basta. Das letzte Wort in dieser Causa ist aber mit Sicherheit noch nicht gesprochen. Lewandowski ist nach dem Götze-Verkauf nun die teuerste Aktie. Und die BVB-Aktie befindet sich im Steigen. Womöglich bis 25. Mai. Oder sogar darüber hinaus.
Auf einen Blick
Robert Lewandowski erzielte beim 4:1 von Dortmund gegen Real Madrid im Semifinal-Hinspiel der Champions League alle vier BVB-Tore. Er ist der erste Spieler, der vier Tore in einem CL-Halbfinale schoss. Den Torrekord hält Lionel Messi, der 2012 bei Barcelonas 7:1-Sieg gegen Leverkusen fünfmal traf.
Die meisten Tore in einem CL-Spiel:
5 Lionel Messi, 7. März 2012
FC Barcelona – Bayer Leverkusen 7:1.
4 Marco van Basten, 25. 11. 1992
AC Milan – IFK Göteborg 4:0.
4 Simone Inzaghi, 14. 3. 2000
Lazio Rom – Marseille 5:1.
4Dado Prso, 5. 11. 2003
AS Monaco – Deportivo La Coruna 8:3.
4 Ruud van Nistelrooy, 3. 11. 2004
Manchester United – Sparta Prag 4:1.
4 Andrej Schewtschenko 23. 11. 2005
Fenerbahce Istanbul – AC Milan 0:4.
4 Lionel Messi, 6. 4. 2010
FC Barcelona – Arsenal 4:1.
4Bafetimbi Gomis, 7. 12. 2011
Dinamo Zagreb – Lyon 1:7.
4 Mario Gomez, 13. 3. 2012
Bayern München – FC Basel 7:0.
4 Robert Lewandowski, 24. 4. 2013
Dortmund – Real Madrid 4:1. [EPA]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)
