Das Beispiel der Kassenstellen zeigt die ganze Doppelmoral in der Debatte um die sinkende Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung.
Glauben die handelnden Personen des Gesundheitssystems eigentlich, dass es niemand merkt, wenn vor den Augen der Öffentlichkeit Scheindebatten und Schattenkämpfe geführt werden? Ein Paradebeispiel dafür ist der jüngste Konflikt zwischen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und der Wiener Ärztekammer – über die Medien ausgerichtete Vorwürfe inklusive.
Der Knackpunkt des Streits ist die Frage, wie viele Kassenstellen in Wien tatsächlich besetzt sind. Der ÖGK zufolge sind es 99,4 Prozent. In der Allgemeinmedizin 99,3 Prozent, wie in „Wien heute“ mitgeteilt wurde. Für Hacker sind diese Angaben ein „glatter Hohn“. Denn sie würden bedeuten, dass von den 800 Planstellen in der Allgemeinmedizin nur sechs Stellen nicht besetzt sind. „Man kann jederzeit auf der Homepage der Wiener Ärztekammer in der Ärzteliste nachlesen, wie viele Kassenärzte in Wien tatsächlich aktiv sind“, so Hacker. „Und das sind wesentlich weniger, als der ominöse Stellenplan der Krankenkassen vorgibt. Mir erschließt sich dieser skurrile Stellenplan gar nicht.“
Hacker hat recht. Die Rechnung der ÖGK geht nicht auf. Derzeit sind mit Sicherheit mehr Stellen unbesetzt als 0,6 Prozent. Die jüngste österreichweite Auswertung ergab 300 unbesetzte Stellen. Dennoch bleibt die ÖGK dabei. Ihre Zahlen seien „korrekt“, allerdings würden sie auch die vorgesehenen Stellen berücksichtigen, also beispielsweise jene für die geplanten Primärversorgungseinheiten. Das sind Gruppenpraxen mit längeren Öffnungszeiten und breiterem Leistungsangebot.