Mit Marc Chagall und Enkelin durch Zürich

Zürich
Zürich(c) BilderBox (BilderBox.com / Erwin Wodicka)
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Wenn schon Geld ausgeben in der reichen Schweiz, dann gleich in der Stadt mit der weltweit besten Lebensqualität, in Zürich, und an den Adressen, die auch Künstler wie Chagall oder Richard Wagner schätzten.

Alles, was Rang und Namen hatte, war in Zürich: Casanova, Franz Liszt, Stefan Zweig und natürlich der ubiquitäre Goethe, der die Bewohner der Stadt aber nicht mochte. Er bezeichnete sie als „dickschalig“. An der Weinstube „Zur großen Reblaube“ beim Peterhofplatz erinnern Inschriften und Bilder an den Aufenthalt des Dichterfürsten im Jahr 1779 zusammen mit seinem Weimarer Herzog Karl August.

Marc Chagall (1887–1985) reiste zumindest einmal im Jahr nach Zürich. Zuerst waren familiäre Bande der Grund, Tochter Ida war in zweiter Ehe mit dem Schweizer Kunsthistoriker Franz Meyer verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder. Später fand hier auch die Arbeit des Meisters viel beachtete Anerkennung mit großen Ausstellungen und Ankäufen.

Das Baur au Lac, wo Chagall dreimal abstieg, als er die Fenster im Fraumünster gestaltete, ist zwar nicht eben preisgünstig. Doch bei einem Kaffee oder Drink auf der Terrasse des Restaurants und der Bar Rive Gauche, einem sommerlichen Treffpunkt der Züricher Schickeria, können auch Max Mustermänner die Atmosphäre des Baur au Lac genießen. Moische Chazkelewitsch Schagalow, wie Chagall bürgerlich hieß, hätte in jungen Jahren von Nächtigungen in dem renommierten klassizistischen Hotelpalast nahe dem Zürichsee nur träumen können, stammte er doch aus einer Arbeiterfamilie im weißrussischen Witebsk. Hoteldirektor Wilhelm Luxem zeigt Gästen gern Kopien aus dem „Goldenen Buch“ des Hotels, in dem Chagall seinen Namen mit kleinen Zeichnungen geschmückt hat. Der „Maler-Poet“ soll damals auf seinem Zimmer an den Entwürfen für die Kirchenfenster gearbeitet haben, wobei der Teppichboden etliche Farbkleckse abbekam. Ein Original des Künstlers besitzt das Hotel aber nicht.

Ein Bäcker aus Vorarlberg

Johannes Bauer, ein Bäcker aus Vorarlberg, der in den 1820er-Jahren nach Zürich ausgewandert war, hatte schon mit seinem 1838 gegründeten Stadthotel Baur en Ville großen Erfolg und suchte bald darauf einen Baugrund für ein zweites repräsentatives Haus am See. Als Erster wagte er es, unmittelbar am Ufer des Zürichsees zu bauen. Das wegen seines Luxus schnell berühmt gewordene Hotel ist nun in sechster Generation in Familienbesitz, eine siebente gibt es auch schon. Der Name der Familie hat sich geändert, weil Emmy, die Enkelin von Johannes Baur, den Kölner Hotelbesitzer Karl Kracht geheiratet hatte. Unter dessen Führung wurde das Baur au Lac im Jahr 1898 zu seiner heutigen Größe von 17.000 Quadratmetern Wohnfläche ausgebaut. Inzwischen hat die Familie wieder 160 Millionen Franken in das Haus investiert. Alle Zimmer wurden von Innenarchitekten neu gestaltet, das Interieur variiert zwischen den Stilen Louis XVI., Empire, Regency und Art déco. Die noblen Marmorbäder haben Tageslicht. So mancher Betuchte fühlt sich in dem 120-Zimmer-Haus so wohl, dass er einen Dauerwohnsitz innehat.

Von Anfang an beherbergte das Hotel illustre Gäste: König Ludwig I. von Bayern, die Könige von Norwegen und Schweden, den Kaiser von Äthiopien und, eh klar, Kaiserin Sisi. Richard Wagner war ebenfalls oft Gast im Restaurant LeHall, konnte sich aber das Wohnen im Hotel nicht leisten. Am 22.Oktober 1856 fand im Festsaal die Uraufführung des ersten Aktes seiner „Walküre“ statt, Franz Liszt saß am Klavier. Auch Thomas Mann und Alfred Hitchcock residierten hier, sowie eine Reihe prominenter Filmschauspielerinnen.

Essen ging Chagall gern wie viele andere Künstler in die „Kronenhalle“, in der einer der Säle nach ihm benannt wurde, immerhin hängen dort auch einige Chagalls. Seine Lieblingsspeisen waren Lamm, Poulet und Kaviar, dazu Wodka. Die Kronenhalle, früher ein Hotel und Restaurant, wurde 1924 von Gottfried und Hulda Zumsteg erworben. Das Ehepaar machte aus dem Haus eine von der Züricher Gesellschaft gern besuchte kulinarische Institution mit schweizerischer Küche. Sohn Gustav Zumsteg machte Karriere im Seidenhandel. Bei seinen Reisen in Südfrankreich lernte er Galeristen und ihre Künstler kennen, entdeckte seine Liebe zur Kunst und kaufte Bilder, die er nicht nur in seinem Haus aufhängte, sondern auch in den Restaurant-Räumen. Chagall, Picasso, Miró, Giacometti, Kandinsky, ein großer Bonnard und viele andere. Seine Mutter Hulda, deren 1967 von Varlin gemaltes Porträt immer noch alles überwacht, bewirtete in den Kriegsjahren viele Künstler, die oft nur mit Bildern zahlen konnten.

Die Kronenhalle ist heute eine Institution für die große Zürcher Familie der Reichen und Schönen, die unter Chagalls „Sonnenuntergang“ speisen. Seit dem Tod der Besitzer wird das Restaurant als Stiftung wie eh und je weitergeführt. Gustav Zumsteg war auch für das Züricher Kunsthaus ein Mäzen, das heute über einen Bestand von zwölf Chagall-Bildern verfügt. Chagalls Schweizer Enkelin Meret Meyer, zierlich, mit dunklem, wild gelocktem Haarschopf wie der Großvater, ist immer wieder begeistert von der Ausdrucksstärke seiner Bilder. „Chagall ist ein bewusster Träumer gewesen“, sagt Meret. Dass er auch ein sehr gläubiger Mann war, zeigen die von ihm gestalteten Chorfenster im Fraumünster, ein ehemaliges Benediktinerinnenkloster. Seit 2004 gehört Niklaus Peter hier zum Bodenpersonal Gottes. „Es ist wunderbar, hier Pfarrer zu sein“, strahlt der Geistliche und berichtet, wie die Kirche zu den Chorfenstern kam. Obwohl Chagall Fenster für den Vatikan entwerfen sollte, hatte er sich für Zürich entschieden.

Mit 1800 Restaurants hat Zürich auch kulinarisch einiges zu bieten. Wenn man schon die legendäre Bahnhofstraße entlangschlendert, sollte man auch den Restaurantklassiker der Familie Manz, die „Hummer- und Austernbar“, besuchen: seit 1935 unverändertes, edles Holz- und Lederinterieur in dunklen, warmen Farben und köstliche französische (Seafood-)Küche mit durchaus erschwinglichen Menüs (Plat du Jour, 40 Euro), die wöchentlich wechseln.

Schwer angesagt ist das Restaurant „La Salle“, ein Glaswürfel in einer alten Schiffbauhalle, in der auch die neue Theater- und Jazzszene blüht. In der angeschlossenen Bar nippt die Lokalprominenz am Champagner.

„Seidenspinner“ ist ein kleines, intimes Restaurant, das vor eineinhalb Jahren Seidenfabrikant Andi Stutz eröffnet hat. Hauptberuflich liefert er aus seiner Fabrik Frontline Seidenstoffe für Dior und Yves Saint Laurent.

Die Spezialität des „Zeughauskellers“ am Paradeplatz hingegen ist Wurst am Meter und Kartoffelsalat. Tina Turner, die in Küssnacht lebt, schätzt die Bratwürste, die am Bellevue-Platz verkauft werden.

Sich betten & genießen

Schlafen: Hotel Baur au Lac*****
Seit der Eröffnung 1844 im Familienbesitz. Das Luxushotel liegt zentral in einem Privatpark am Zürichsee und an der Bahnhofstraße. www.bauraulac.ch

25hours Hotel Zürich West
Mitglied von Design Hotels. Die Zimmer wurden von Alfredo Häberli gestaltet. Zehn Minuten von der Bahnhofstraße und 20 Minuten vom Flughafen entfernt, Pfingstweidstraße 102,
res.zuerichwest@25hours-hotel.com www.25hours-hotels.com/zuerich

Essen: Die „Kronenhalle“ war schon früh ein Treffpunkt von Künstlern, viele von ihnen haben mit Kunstwerken bezahlt. Heute speist man unter echten Chagalls, Picassos und Mirós. Spezialität: Zürcher Geschnetzeltes. Rämistraße 4, www.kronenhalle.com

Restaurant „LaSalle“: Gehört zur neuen Schauspielhausbühne in Zürich West, als Glaskubus in der historischen Schiffbauhalle. Schiffbaustraße 4, www.lasalle-restaurant.ch

Infos: Schweiz Tourismus trug die Kosten der Reise.
www.MySwitzerland.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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