Berlusconi: Der letzte Akt im Bunga-Bunga-Prozess

Berlusconi: Der letzte Akt im Bunga-Bunga-Prozess
Berlusconi: Der letzte Akt im Bunga-Bunga-Prozess(c) REUTERS (ALESSANDRO GAROFALO)
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Hatte Silvio Berlusconi Sex mit einer minderjährigen Prostituierten? Die Staatsanwältin fordert sechs Jahre Haft und einen lebenslangen Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern für den Expremier.

Rom. Wie groß seine Angst vor einer Verurteilung ist, das zeigte Silvio Berlusconi am Wochenende: Zum einen versammelte er, was immer an Parteigrößen und Ministern greifbar war, zu einer Protestkundgebung gegen die „politisierte Justiz“ im norditalienischen Brescia, zum anderen strahlte das Flaggschiff seiner Fernsehkette, Canale5, Sonntagabend eine zweistündige „Dokumentation“ darüber aus, dass Berlusconi auf keinen Fall bezahlten Sex mit der minderjährigen „Ruby Rubacuori“ gehabt haben konnte. Zugleich wurde darin widerlegt, dass der damalige Premier die Mailänder Polizeibehörden zu Rubys Freilassung erpresst hätte.

Diese beiden Vorwürfe bekam Berlusconi dafür am Montag umso massiver vorgehalten: In ihrem Plädoyer vor dem Mailänder Tribunal hielt Staatsanwältin Ilda Boccassini Berlusconi „ohne jeden Zweifel“ für schuldig: Ein „System von Prostitution“, sagte die Hauptanklägerin Berlusconis, habe dieser in seiner Villa unterhalten. Berlusconi habe wissen müssen, dass Ruby, der er zwischen Valentinstag und Mai 2010 „jede freie Minute widmete“, damals minderjährig war. Boccassini forderte sechs Jahre Haft für Berlusconi und einen lebenslangen Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern.

„Dubiose körperliche Tätigkeiten“

Es geht um die Nacht vom 27. auf den 28. Mai 2010. Da greift die Polizei in Mailand eine 17-jährige Marokkanerin namens Karima El-Mahroug auf. Ihre Mitbewohnerin, eine Italienerin aus dem Eskortgewerbe, hat sie des Diebstahls angezeigt. Sie selbst, sagt El-Mahroug den Beamten, verdiene ihr Geld mit Bauchtanz unter dem Künstlernamen „Ruby Herzensbrecherin“. Die diensthabende Staatsanwältin für Jugendsachen befindet, Minderjährige gehörten nicht auf die Straße, schon gar nicht sollten sie „dubiosen körperlichen Tätigkeiten“ nachgehen. Die Juristin versucht, Ruby in eine „geschützte Wohngemeinschaft“ einzuweisen.

So weit ist es ein Fall wie viele. Jedenfalls – so weist es Staatsanwältin Boccassini haarklein nach – bis um 23.48Uhr. Da erhält der Stabschef des Mailänder Polizeipräsidiums zu Hause einen ungewöhnlichen Anruf: Premier Silvio Berlusconi ist dran; er habe gehört, man habe eine junge Frau festgesetzt; diese sei aber eine Verwandte des (damaligen Staatschefs von Ägypten) Hosni Mubarak, und um politische Verwicklungen zu vermeiden, müsse die Frau freigelassen werden; er, Berlusconi, schicke eine Vertrauensperson zur Abholung vorbei. Berlusconi ruft öfter an, damit ja nichts schiefgeht; der führende Polizist gibt die Order mit Nachdruck an die junge Kollegin vom Nachtdienst weiter. Um zwei Uhr zieht Ruby von dannen – in Obhut von Berlusconis „Mundhygienikerin“, Nicole Minetti, der er für besondere Verdienste einen Platz im lombardischen Regionalparlament verschafft hatte. Woher Berlusconi von Rubys Festnahme wusste? Von einer brasilianischen Prostituierten, die seine Handynummer hatte. Es hat, weist Boccassini nach, in den einschlägigen Mailänder Kreisen an jenem Abend frenetische Telefonate gegeben, weil alle „von der Nähe der Prostituierten Ruby zu Berlusconi wussten“ und fürchteten, beim Auffliegen der Geschichte ihre von Berlusconi fürstlich bezahlten Jobs zu verlieren.

Die Angst war unbegründet: Während des Prozesses kam heraus, dass der Expremier diese „jungen, schönen Teilnehmerinnen von galanten Partys und normalen Abendessen“ immer noch mit 2500 Euro pro Monat finanziert. Ruby selbst soll 57.000 Euro bekommen haben – als „Darlehen“, wie es in Berlusconis TV-Dokumentation hieß, damit sie einen Schönheitssalon eröffnen konnte. Aber was bezweckte Berlusconi mit seinen nächtlichen Anrufen im Mailänder Polizeipräsidium? Er wollte, sagt Boccassini, eine Vernehmung verhindern. Da hätte ja alles herauskommen können – was fünf Monate später auch passierte.

„Nie Sex mit Berlusconi gehabt“

Nur wie das mit dem Sex bei Berlusconis Festen war, konnte der Prozess nicht definitiv klären. Während einige der jungen Frauen die „Bunga-Bunga-Riten“ bestätigten – also die Entkleidungsspielchen und das halbnackte Tanzen und Tätscheln mit dem Hausherrn – haben andere nichts gesehen und nichts gehört: „Einige Zeugen sind gezwungen worden zu lügen“, sagt Boccassini. Empört fahren Berlusconis Verteidiger aus ihren Sitzen hoch: Denn nachdem sie sich anfangs mit ihrer Nähe zu Berlusconi so gebrüstet hat, sagt Ruby jetzt, sie habe „nie Sex mit Berlusconi“ gehabt. Dieser wiederholt, er habe „nie eine Frau für Sex bezahlt“. Boccassini ist vom Gegenteil überzeugt. Ob sie das Gericht überzeugen konnte, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)

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