Razzia bei NÖM: Milchproduzenten unter Generalverdacht

THEMENBILD: MILCHWIRTSCHAFT
THEMENBILD: MILCHWIRTSCHAFTAPA
  • Drucken

Auch nach der Verurteilung von Rewe ist für die Wettbewerbshüter noch viel zu tun. Am Mittwoch gab es bei NÖM eine Hausdurchsuchung. Bei rund einem Dutzend Herstellern von Milchprodukten hat sich die BWB in letzter Zeit genau umgesehen.

Wien. Nach Berglandmilch gerät nun mit NÖM ein weiterer österreichischer Milchwarenproduzent ins Visier der Wettbewerbshüter. Wie die „Presse" aus informierten Kreisen erfuhr, fand am Mittwoch in der Firmenzentrale von NÖM in Baden eine Razzia statt. NÖM-Vorstand Alfred Berger bestätigte der „Presse" am Mittwoch Nachmittag, dass Beamte der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) seit neun Uhr früh in der Firma seien.

Nur "Verschwörungstheorien"

„Wir haben kein schlechtes Gewissen", sagte Berger. Mit den Kartellstrafen von Rewe und Berglandmilch ("Die Presse" berichtete) sieht er keinen Zusammenhang. „Ich verstehe, dass Verschwörungstheorien sehr attraktiv sind. Ich gehe aber davon aus, dass es sich hier um eine reine Routineuntersuchung handelt". Man sei bei NÖM auf derartige Eventualitäten gut vorbereitet: „Wie beschäftigen seit Jahren einen Risiko- und Compliance-Manager". Wie lange die Durchsuchung dauern werde, sei ihm zur Zeit noch nicht bekannt.

Faktum ist, dass die BWB derzeit breit angelegt die Lebensmittelbranche durchleuchtet. Wie ein Insider bestätigte, hat die Behörde mittlerweile bei einem knappen Dutzend Molkereiunternehmen Hausdurchsuchungen durchgeführt, darunter bei Emmy, Kärntnermilch und Lactalis. Kärntnermilch-Geschäftsführer Helmut Petschar bestätigte am Mittwoch, dass die BWB bereits im August letzten Jahres in der Firmenzentrale in Villach vorstellig wurde, um sich Mails und Schriftverkehr genau anzusehen. Petschar sieht im Gegensatz zu NÖM-Chef Berger schon einen Zusammenhang mit den Untersuchungen bei Rewe, weist aber den Vorwurf der Preisabsprachen mit dem Handelskonzern ebenfalls zurück: „Da braucht man sich nur den Milchpreis anschauen. Der ist in den letzten Jahren zwar nicht für die Konsumenten, aber für die Hersteller gesunken, nicht gestiegen." Tatsächlich sind bei Milch die Margen für die Erzeuger relativ gering. Höhere Margen bringen allerdings Milchprodukte wie Joghurt oder Käse.

Auch bei Spar gab es im Jänner eine Hausdurchsuchung. Berglandmilch (Latella, Schärdinger) musste wegen Preisabsprachen ein Bußgeld von 1,125 Mio. Euro zahlen. Die Handelskette Rewe (Billa, Merkur, Penny) wurde am Montag zu einer Kartellstrafe in einer Höhe von 20,8 Mio. Euro verurteilt. Und auch wenn man nicht an Verschwörungstheorien glaubt: Wenn erst einmal in einer Branche Ermittlungen beginnen, löst das oft Kettenreaktionen aus. „In solchen Situationen ist jeder sich selbst der Nächste", sagt ein Insider. Die Bereitschaft, mit den Behörden zu kooperieren - und andere Marktteilnehmer ins Spiel zu bringen - sei dann meist groß. Die ganze Lebensmittelbranche sei "in enormer Unsicherheit".

Sieben Mio. Euro Verlust bei NÖM

Die NÖM ist nach Berglandmilch der zweitgrößte Molkereibetrieb in Österreich und Hersteller der Marken FruFru, NömMix, NömFasten. Zuletzt lief bei NÖM vor allem das Auslandsgeschäft schlecht. 2009 wurde eine Molkerei in Birmingham/Großbritannien eröffnet, in die 120 Mio. Euro investiert wurde. 2012 fiel in Großbritannien ein Verlust von knapp unter zehn Millionen Euro an. Die NÖM AG erwirtschaftete 2011 einen Umsatz von 329,5 Mio. Euro, und machte netto einen Verlust von 7,3 Mio Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Agrana
Österreich

Agrana: „Blütenreine Weste“

Im April gab es Hausdurchsuchungen beim heimischen Zuckerkonzern Agrana. Gefunden worden sei nichts, so der Vorstand.
Symbolbild
Österreich

Rewe-Preisabsprachen: Nur Spitze des Eisbergs?

Kartellstrafen gegen Österreichs größten Lebensmittelhändler Rewe über 20,8 Millionen Euro sollen nur der Anfang sein. Absprachen seien an der Tagesordnung, meint die Arbeiterkammer.
REWE INTERNATIONAL AG IN WIENER NEUDORF
Österreich

Preisabsprachen: Rewe muss 20,8 Millionen Euro zahlen

Über die Billa-Mutter wurde wegen Preisabsprachen mit Lieferanten die zweithöchste Kartellstrafe in der Geschichte Österreichs verhängt. Die AK fordert, dass das Geld für den Konsumentenschutz zweckgewidmet wird.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.