Kino

Werden Filme immer länger?

Cillian Murphy in Christopher Nolans „Oppenheimer“
Cillian Murphy in Christopher Nolans „Oppenheimer“ Imago
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Ob „Oppenheimer“, „Indiana Jones“ oder auch die „Arielle“-Neuverfilmung: Heuer scheinen besonders viele lange Filme ins Kino zu kommen. Das dürfte auch an den Egos der Regisseure liegen.

Oppenheimer“: 180 Minuten. „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“: 154 Minuten. Die „Arielle“-Realverfilmung: 135 Minuten. Im Oktober kommt dann das XXL-Epos: Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“, der 206 Minuten dauert. Die zeitlichen Monumentalfilme scheinen sich heuer zu häufen. Und das in einer Zeit, in der das jederzeit unterbrechbare Streaming und kurze Inhalte von TikTok oder Instagram die Bewegtbildbranche revolutionieren. Eine sechsstündige Streamingserie ist für viele Leute wegen ihres andersartigen Erzählrhythmus ein Vergnügen. Die Aussicht, einen dreistündigen Film ansehen zu sollen, macht dagegen vielen Angst.

Liegt es auch an der Länge, wenn Filme floppen? Im Jänner kam „Babylon - Rausch der Ekstase“ mit 189 Minuten Länge ins Kino. Alles, was sich der Autor und Regisseur Damien Chazelle ausgedacht hatte, schien es in die endgültige Fassung geschafft zu haben, einschließlich der explosiven Eingeweide eines Elefanten. Trotz Brad Pitt und Margot Robbie („Barbie“) in den Hauptrollen ein Flop. Weltweit erzielte er nur etwa 63 Millionen US-Dollar. Vielleicht waren auch die lauen Kritiken ein Grund für den Misserfolg: als „überkandideltes Traumfabrik-Sittenbild“, beschrieb die „Presse“ den Film.

Chazelle und Spielberg breiten sich aus

Chazelles Werke jedenfalls werden immer länger: Sein Musikfilmdrama „Whiplash“ (2014) zählte noch knackige 106 Minuten, das Filmmusical „La La Land“ (2016) 128 Minuten, seine Neil-Armstrong-Filmbiografie „Aufbruch zum Mond“ (2018) 142 Minuten ... Dieser Trend lässt sich auch bei Steven Spielberg erkennen, der schon immer eine Schwäche für lange Filme hatte. In den 80ern hatten seine acht Kinofilme eine Durchschnittslänge von 123 Minuten, in den Zehnerjahren (2011 bis 2018) waren seine sieben Filme dann schon im Schnitt 131 Minuten lang. In den 2020ern aber dauerten seine bis dato zwei Filme („West Side Story“ und „Die Fabelmans“) jeweils über zweieinhalb Stunden (157 und 151 Minuten).

„Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs“  dauerte 201 Minuten.
„Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs“  dauerte 201 Minuten. New Line Cinema/Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de

Zum Vergleich: Als vor 20 Jahren (2003) das mehr als dreistündige Epos „Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs“ die Massen ins Kino lockte, betrug die durchschnittliche Länge der in Deutschland zehn erfolgreichsten Kinofilme 126 Minuten. Im vergangenen Jahr (2022) hatte sich das um sechs Minuten gesteigert.

Studie: Filme werden nicht grundsätzlich länger

Dass alle Filme grundsätzlich länger werden, kann man so aber nicht sagen. So wertete zumindest der Datenwissenschafter Przemysław Jarząbek vor rund fünf Jahren knapp 30.000 Filme von der IMDb-Datenbank nach ihrer Laufzeit aus und lieferte eine klare Antwort: Sie werden nicht grundsätzlich länger. „Die Unterschiede in der Länge sind zu gering, um wahrgenommen zu werden. Wir können sagen, dass die Filme in den letzten 60 Jahren im Durchschnitt die gleiche Länge gehabt haben. Egal, welche Kriterien man anlege, das Ergebnis ist immer dasselbe“.

Auf Filme namhafter Regisseure, Fortsetzungskino und eine Menge kommerzieller Hits der letzten Jahre scheint die These der länger werdenden Filme jedoch zuzutreffen. Das Magazin „Vanity Fair“ recherchierte kürzlich hinter den Kulissen Hollywoods und trug Gründe zusammen, warum Filme aktuell so lang geworden sein könnten.

So brauche die Branche nach ein paar düsteren Pandemiejahren wieder genug Menschen, die ins Kino gehen. Ein langer Film vermittle das Gefühl, dass ein Regisseur etwas zu sagen habe, dass der Film künstlerisch wertvoll sei (viele Oscar-Gewinner sind überlang).

Wer möchte schon Scorsese verlieren?

Außerdem gebe es heute weniger mächtige und strenge Produzenten, die Filmemacher zur Ordnung riefen. Da die Liste der Filmkäufer – mit Netflix, Amazon, Apple und anderen neuen Playern im Film-Business – länger geworden ist, gebe es einen gewissen Druck bei den Studios, der Vision eines Regisseurs von zusätzlichen 15 oder 30 Minuten nicht zu widersprechen und deren Egos kränken. „Wer möchte der Manager sein, der Nein zu Scorsese sagt und ihn an Netflix verliert?“, fasste „Vanity Fair“ zusammen.

Und: Ein ungenannter (langjähriger) Produzent vermutet, dass es während der Pandemie weniger Testvorführungen gab und damit weniger soziale Kontrolle: „Es gibt eigentlich nichts Besseres, um Ihnen zu sagen, dass Ihr Film zu lang ist, als auf ein Meer von Menschen zu schauen, die auf ihren Sitzen hin und her rutschen.“

Auch „Ben Hur“ dauerte schon lange

Nun ist natürlich nicht alles so eindeutig wie es manchmal scheint: Schon seit „Vom Winde verweht“ wird immer wieder gejammert, Filme seien zu lang. „Ben Hur“ Ende der 50er dauerte fast vier Stunden, „Der Pate“ von Francis Ford Coppola Anfang der 70er fast drei, „Titanic“ von James Cameron in den 90ern über drei Stunden.

Ab den 50ern sah sich die Kinowirtschaft mit dem Fernsehen als Konkurrenz konfrontiert und versprach sich von längeren Filmen oder etwa dem Filmformat Cinemascope, ein Erlebnis zu schaffen, das die kleine Mattscheibe zu Haus nicht bieten konnte. Heute ist das Argument angesichts der Streamingdienste ähnlich: Wenn die Leute schon ihr Haus verließen und ins Kino gingen, müsse man ihnen etwas Bombastisches bieten, mehr Emotionen und ein größeres Erlebnis.

Kürzere Filme zwischen 1970 und 1985

Nur zwischen 1970 und etwa 1985 sollen viele Blockbuster im Durchschnitt kürzer geworden sein, wie der Datenwissenschafter Randal Olsen vor fast zehn Jahren feststellte und mutmaßte, dass dies mit der Zeitbegrenzung auf Videokassetten zusammenhing, auf denen Filme zweitverwertet werden können sollten. Mit der Einführung von DVDs war die Laufzeit dann wieder nicht mehr so wichtig. Bei Leuten, die in den 80ern jung waren, könnte der Eindruck, dass Filme früher kürzer gewesen seien, also Gründe haben.

Im Vergleich zu den anderen großen Filmen heuer richtig kurz wirkt die Filmlänge jenes pinken Überhits, der derzeit die Kinokassen dominiert: „Barbie“ von Regisseurin Greta Gerwig dauert nur 114 Minuten. (APA/dpa/Red.)

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