Leberkäse, Jägermeister und ein Handtuch: Fußballfans verwandelten London für einen Tag in die deutsche Hauptstadt.
London. Als Arjen Robben das 2:1 für Bayern gegen Dortmund macht, brandet im Bavarian Beerhouse in der Londoner City lauter Jubel auf. Die Bayern-Fans sind hier – pflichtgemäß – klar in der Überzahl. Nur hinter einer Absperrung aus einem riesigen Jägermeister-Plakat sitzt Lokalmanager Markus und meckert: „Ein Unentschieden wäre mir lieber gewesen. Dann hätten wir eine Verlängerung gehabt und noch mindestens ein Runde Getränke pro Tisch verkaufen können.“
Über schwachen Umsatz kann sich das Bierhaus aber auch so nicht beklagen. Seit Wochen war man für das Spiel der Spiele ausverkauft. Rund 150.000 deutsche Fans kamen dieses Wochenende für das Champions-League-Finale auf dem heiligen Rasen von Wembley in die britische Hauptstadt, weniger als 50.000 davon hatten Eintrittskarten. Das einzige Public Viewing fand unter strengen Auflagen der Uefa und aufmerksamen Blicken der Sicherheitskräfte, die nach dem Soldatenmord von Woolwich besonders achtsam agierten, im entlegenen Olympiapark im Osten der Stadt statt.
Attraktiver war es, in einem der deutschen Lokale Londons mit hübschen Namen wie Zeitgeist, Herman Ze German oder Oktoberfest den historischen Fußballabend zu begehen. Das Bier floss in Strömen, ebenso der Jägermeister, davor hatten die meisten richtig deftige deutsche Schlachtplatten mit Leberkäse, Bratwurst und Schweinshaxe verdrückt. Die finalverdächtigen Preise sollten das Vergnügen nicht stören. „Das möchten Sie nicht wissen“, sagt Maria aus München, die mit fünf Freundinnen extra für das Endspiel nach London gekommen ist, auf die Frage, was sie das Fußballwochenende gekostet hat. Nach Robbens Siegestor setzt sie aber triumphierend nach: „Jeden Preis war mir das heute wert.“
52 Millionen Euro
Die rund 275.000 in Großbritannien lebenden Deutschen trachten angesichts der historischen Last meist danach, nicht aufzufallen. Auch die Deutsche Botschaft London gab sich streng: „Wir wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt“, hieß es auf der Website, dann folgten seitenlange Verbote und Gebote für das Finale. Doch die angereisten Fans ließen es sich nicht verdrießen. Den ganzen Tag schwärmten Fans durch die Stadt und waren an allen großen Plätzen und markanten Punkten zu finden. 52 Millionen Euro sollen sie insgesamt an diesem Wochenende in der britischen Hauptstadt zurückgelassen haben. Die Stimmung war ausgelassen, es gab kaum Zwischenfälle.
Da war es kein Wunder, dass sich auch die Briten von ihrer besten Seite zu zeigen versuchten. Selbst Tageszeitungen, die sonst in blindem Reflex die Worte „Deutschland“ und „Zweiter Weltkrieg“ zusammen abdrucken, veröffentlichten Artikel wie „Warum wir die Deutschen lieben“ („The Sun“) oder „Ein Leitfaden, um Deutschland-Fan zu werden“ („Daily Mail“). Die „Sun“ hat vor dem Wembley-Stadion in Anspielung auf die felsenfeste britische Überzeugung, dass sich die Deutschen im Urlaub immer als Erste die besten Plätze am Swimmingpool mit ihren Handtüchern reservieren, ein Riesenhandtuch in der Größe von drei Autobussen und dem Aufdruck „Willkommen“ auslegen lassen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2013)