"Es wird keinen Gebietstausch mit Serbien geben"

KosovoPremier Hashim Thai widerspricht
KosovoPremier Hashim Thai widerspricht(c) Reuters
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Kosovo-Premier Hashim Thaçi widerspricht im "Presse"-Interview dem Verdacht, sein Ziel sei letztlich ein Großalbanien. Einer Grenzänderung erteilt er wie einem Gebietstausch eine Absage.

Die Presse: Sie haben gerade Serbiens Premier Ivica Dačić getroffen. Sie werden doch am Ende nicht noch Freunde werden, so oft wie Sie sich in letzter Zeit sehen?

Hashim Thaçi: Unsere Treffen dienen Frieden, Stabilität und gut-nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern. Es geht da nicht um das persönliche Verhältnis oder Emotionen. Wir repräsentieren als Regierungschefs unsere Länder und haben ein Abkommen zur Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo erreicht, ein Friedensabkommen nach hundert Jahren Konflikt. Deswegen haben wir als Premierminister eine Partnerschaft aufgebaut, das Verhältnis ist mehr als freundlich. Aber noch einmal: um die persönliche Ebene geht es nicht.

Vor 15 Jahren waren sie Kommandant der Kosovo-Untergrundarmee UCK, Dačic diente dem Milošević-Regime. Sie haben gegeneinander gekämpft. Wie schwierig war es da, Vertrauen aufzubauen?

Ja, wir haben gegeneinander gekämpft, aber der Krieg endete 1999, und Kosovo hat ihn gewonnen. Dieser Krieg hat Kosovo die Freiheit gebracht. Die ersten Treffen in Brüssel waren allerdings wirklich heftig, das kann man sagen. Da kamen schon die Emotionen und die Erinnerungen an die Vergangenheit zurück. Aber Schritt für Schritt haben wir diese Vergangenheit hinter uns gelassen und gemeinsam an der Agenda für die Zukunft gearbeitet. Das Abkommen, nützt Serbien, dem Kosovo, und der ganzen Region. Nicht zuletzt nützt es auch den Serben im Norden, weil sie zum demokratischen Normalzustand zurückkehren.

Bei der Umsetzung des Abkommens gibt es aber noch Probleme. Konnten sie in ihren Gesprächen mit Dačic am Sonntag Fortschritte erzielen?

Seitens Serbiens gibt es die Tendenz, die Sache zu verzögern. Es gibt aber keine Alternative zur Implementierung des Abkommens. Denn sonst gibt es weder für Serbien noch für Kosovo eine europäische Zukunft. Das Abkommen vom 19. April ist ja nicht das Ende, sondern der Anfang eines langen Prozesses. Natürlich gibt es Leute in Belgrad wie auch in Prishtina, die sich dagegen stellen können, aber ich bin sehr optimistisch.

Am Montag nahmen die wechselseitigen Verbindungsbüros in Belgrad und Prishtina ihre Arbeit auf. Glauben Sie, dass sie noch zu Ihren Lebzeiten in Botschaften umgewandelt werden?

Auch das ist nur ein Anfang. Unser Verbindungsmann wird ein Botschafter sein, auch der Umgang wird wie auf der Ebene von Botschaftern sein.

Also aus Ihrer Sicht hat Ihr Mann in Belgrad den Status eines Botschafters?

Wir nennen ihn einen Verbindungsmann, aber er ist ein Botschafter.

Die Schließung der serbischen Polizeistationen war ein großer Konfliktpunkt. Läuft alles glatt ab?

Ja, und das sind wirklich gute Nachrichten. Freilich muss das verifiziert werden, zunächst einmal von der Eulex. Als nächstes kommt das Justizsystem an die Reihe, und wir werden die Gesundheits- und Bildungs-Einrichtungen legalisieren. Im Oktober soll alles bereit sein für die ersten freien Wahlen.

Erwarten sie noch viel Widerstand von serbischen Führern im Nordkosovo, oder ist die Sache jetzt gegessen?

Von verschiedenen Individuen gibt es schon Widerstand, aber sie werden keine Chance haben, angesichts der breiten Verpflichtung, die gegenüber dem Abkommen herrscht. Die Regierung des Kosovo wird ihre Pflichten erfüllen, die Staatengemeinschaft ebenso, und auch Serbien hat seine Aufgaben zu erfüllen. Diese Leute haben also keine Unterstützung, von niemandem.

Das Parlament des Kosovo hat kürzlich eine Resolution zugunsten der Albaner im serbischen Preševo-Tal verabschiedet. Warum riskieren Sie gerade jetzt den Verdacht, es gehe im Endeffekt doch um die Schaffung eines Großalbanien?

Kosovo arbeitet nicht daran, Grenzen zu ändern, sondern Grenzen zu öffnen. Wir haben nur unsere legitime Position gegenüber den Albanern im Preševotal ausgedrückt. Sie sollen ihre eigenen demokratischen und nationalen Rechte genießen können.

Wie ernst ist es Albaniens Premier Berisha, wenn er von Großalbanien spricht, was er zuletzt ja öfter getan hat? Und wie denken Sie darüber?

Vielleicht wurde Berisha von der Staatengemeinschaft etwas missverstanden. Es geht einfach darum, in einer Region ohne Grenzen zu leben, es sollen aber die Grenzen jener Staaten respektiert werden, in denen die Albaner leben. Als Staaten können wir der EU beitreten, dann wären alle Albaner in Europa vereint. Es geht nicht darum, einen ethnisch homogenen Staat zu errichten.

Also keine Grenzänderungen im Rahmen eines Austauschs von Territorien, wie es Serbiens Premier Dačić mehrmals vorgeschlagen hat?

Es wird im Kosovo keine „Republika Srpska" geben, keine Autonomie, und es wird keine Grenzänderung geben oder einen Austausch von Gebieten (das albanisch domiierte Preševo-Tal gegen den serbisch dominierten Nord-Kosovo; Anm.). Das habe ich in allen Treffen mit Dačić sehr deutlich gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2013)

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