Jägerstätter: „Er hat nur genau das Evangelium gelesen“

Felix Mitterer
Felix Mitterer (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In den USA beeinflusst „Jägerstätter“ Whistleblower, in Wien wird seine Geschichte im Theater gezeigt. Felix Mitterer über den hingerichteten Franz Jägerstätter.

So ungefähr weiß Edward Snowden, was mit ihm passieren wird: „Nichts Gutes.“ Ein angenehmes Leben auf Hawaii hat der Whistleblower eingetauscht gegen Exil, vielleicht Gefängnis, vielleicht Schlimmeres – und die Aussicht, die Menschen, die er liebt, nie wiederzusehen. Warum hat er die US-Internetüberwachung enthüllt? Wegen seines „Gewissens“, sagt Snowden. „Ich habe mich als Mensch dazu verpflichtet gefühlt.“

Wer so viel aufgibt, braucht Vorbilder, berühmte Vorgänger wie Daniel Ellsberg. Dieser machte 1971 geheime Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg publik, die die Irreführung der Öffentlichkeit enthüllten. „Ich habe jahrelang meinen Mund gehalten, wenn Präsidenten uns anlogen“, sagte er 2010. „Das hätte ich nicht tun sollen.“ Deswegen bewundert Ellsberg heute Edward Snowden und auch Bradley Manning, der im Irak-Krieg Material an WikiLeaks spielte.

Aber vor allem von einem Menschen hat Daniel Ellsberg Kraft geschöpft: von Franz Jägerstätter. In dem Jahr, als Ellsberg vor Gericht stand, drehte Axel Corti seinen Film „Der Fall Jägerstätter“, der den Wehrdienstverweigerer in Österreich erst bekannt machen sollte. In Amerika hatte der katholische Soziologe Gordon Zahn, im Zweiten Weltkrieg selbst Wehrdienstverweigerer, schon 1964 ein Buch über ihn veröffentlicht. „In Solitary Witness. The Life and Death of Franz Jägerstätter“ inspirierte die von Zahn mitgegründete Friedensbewegung Pax Christi – und auch Whistleblower Daniel Ellsberg.

Die amerikanischen Jägerstätter-Pilger

„Das mit Ellsberg hab ich ja nicht gewusst, das ist auch eine Erleichterung für mich!“, sagt Felix Mitterer strahlend im Gespräch mit der „Presse“. „Die erste Erlösung war zu erfahren, dass Gordon Zahn in Berlin und Radegund recherchiert und dieses Buch geschrieben hat und dass sich in Amerika Wehrdienstverweigerer auf ihn berufen. Die kommen zum Teil am 9. August an sein Grab, auch Junge. Er ist halt doch nicht umsonst gestorben. “

„Jägerstätter“, Mitterers Stück über den oberösterreichischen Bauern, Familienvater und überzeugten Christen, der sich weigerte, für Hitler zu töten und dafür geköpft wurde, wird heute im Theater in der Josefstadt uraufgeführt. Seit drei Jahren lebt der bekannte Volksbühnen- und Drehbuchautor (u. a. „Piefke-Saga“) nach 15 Jahren in Irland wieder in Österreich, auf einem Bauernhof im Weinviertel. Er konnte noch mit Jägerstätters tiefgläubiger Witwe Franziska reden, die im März kurz nach ihrem 100. Geburtstag gestorben ist.

Mitterer: „Da bin ich draufgekommen auf die unglaubliche Liebesgeschichte zwischen den beiden, die angedauert hat bis zu ihrem Tod. Das Stück könnte auch ,Franz und Franziska‘ heißen.“

Es beginnt mit der Todesnachricht, springt dann in Jägerstätters Jugend und führt bis 1954, als der Bischof „noch einmal die Soldaten über alles lobt“ und Franziska einen Brief der Bezirkshauptmannschaft Braunau erhält, die ihr eine Witwen- und Waisenrente verweigert.

Depressiv? „Der war so lebensfroh!“

Mitterer: „Er war ja depressiv und schwermütig, hat es geheißen, und dass er's nur aus dem Glauben heraus getan hat. Dabei war er so lebensfroh! Er hat nur genau das Evangelium gelesen. Und es ist ja eine unglaubliche Frechheit zu sagen, wenn er's aus dem Glauben heraus tut, dann ist das kein gutes Motiv! Zehn, elf Jahre nach dem Tod ihres Mannes hat sie noch so einen Brief lesen müssen. Und sie dann anzutreffen, komplett unverbittert und froh ...“

Jahrzehntelang warfen Dorfbewohner Jägerstätters Frau vor, sie hätte ihn aus Bigotterie in den Tod getrieben, dabei versuchte sie ihn lange von seinem Entschluss abzubringen.

„Nachher hat sie versucht, den Menschen da zu erklären, sie sollen dem Franz bitte nicht bös sein. Er war ja nie selbstgerecht, hat gezweifelt, ob er das überhaupt darf, hat niemandem Vorwürfe gemacht. Er hat nur immer gesagt, ich kann's halt nicht! Er hat nur genau das Evangelium gelesen. Jeder, der das Stück sieht, wird sehen, das war ein ganz besonderer Mensch.“

Auch Mitterer ist ein besonderer Autor, er erträgt es zum Beispiel nicht, Menschen zu verletzen. „Gott sei Dank gefällt das Stück den Töchtern und Enkerln vom Jägerstätter! Wenn die gesagt hätten, das gefällt uns nicht, das tut uns weh, ich wär' erledigt gewesen.“ Zwei Stücke hat er deswegen schon zurückgezogen. „Einmal zum Beispiel hat mich eine Frau gebeten, über sie zu schreiben, ein Sohn hat mir dann gesagt, er braucht wegen meines Stückes Psychotherapie. Da hab ich gesagt, tut mir wahnsinnig leid, dafür schreib ich meine Stücke nicht, dass jemand Psychotherapie braucht. Ich hab immer für Menschen geschrieben, das brauch ich für mein Seelenheil.“

Weinzierl spielt als Toter in „Piefke-Saga“

Kein Wunder, dass er mit allen Arbeiten „entsetzlich weit hinten“ ist, „ich weiß gar ned, was ich alles unterschrieben hab beim ORF.“ Eine Fortsetzung der Piefke-Saga etwa hat er vor drei Jahren versprochen, mit den alten Schauspielern, etwa „Sattmann“ Dietrich Mattausch. „Er schreibt mir Ansichtskarten, denkst du auch mal dran, dass man älter wird?“ Kurt Weinzierl spielte den Bürgermeister, „er hat gesagt ,den spielad ich auch als a Toter noch einmal‘, zack, bumm, war er tot. Jetzt muss er vorkommen! Keine Ahnung wie, mit altem Filmmaterial, Double – aber er muss dabei sein.“

Zur Person

Felix Mitterer sieht sich seit seinen Anfängen als „Volksautor“. Der 63-jährige gebürtige Tiroler wurde in Österreich vor allem durch die TV-Satire „Die Piefke-Saga“ bekannt und durch Theaterstücke wie „Kein Platz für Idioten“ oder „Kein schöner Land“. 15 Jahre lang lebte er in Irland, 2010 kehrte er nach Österreich zurück. „Jägerstätter“ hat heute, Mittwoch, um 19.30 Uhr Premiere im Theater in der Josefstadt, Regie führt Stephanie Mohr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2013)

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