Mit dem Bummelzug zum großen Deal

RUSSIA LAVROV MGIMO
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Russland will seine Bahnstrecke an Mitteleuropa anbinden – via Österreich. Ein Milliardenprojekt, das Österreich großen volkswirtschaftlichen Nutzen brächte. Trotzdem ging in der Sache jahrelang nichts weiter.

Der Anruf erreichte Michael Spindelegger am ersten Juniwochenende. Unangekündigt. Am anderen Ende war der russische Außenminister Sergej Lawrow. Kurze Schrecksekunde: Ging es um den geplanten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan? Falscher Alarm, Spindeleggers russischer Amtskollege hatte ein ganz anderes Anliegen. Und so plauderten die beiden über ein wirtschaftliches Großprojekt, das den Russen schon seit Jahren am Herzen liegt. Es geht um die Verlängerung der Breitspureisenbahnstrecke bis in den Raum Wien.

Ein wirtschaftlich höchst interessantes Projekt: Die transsibirische Breitspurstrecke, die bereits über die Ukraine nach Kosice (Slowakei) reicht, soll durch die Slowakei nach Mitteleuropa geführt werden – nach Österreich.

Befürworter des Projektes führen vor allem volkswirtschaftliche Argumente ins Treffen: Mit der Verbindung der zwei verschiedenen Spurweiten gäbe es für Gütertransporte von Asien nach Europa eine ökologisch nachhaltige Alternative zum Seeweg. Eine, die darüber hinaus enorm zeitsparend ist.

Mit einem nicht zu unterschätzenden Vorteil für Österreich: Mit der Errichtung eines Terminals zum Güterumschlag auf österreichischem Boden würde quasi eine Drehscheibe zwischen den Märkten Europas und Ostasiens geschaffen – und dies sei mit Arbeitsplätzen und entsprechender Wertschöpfung verbunden.

So weit, so gut.

Umso erstaunlicher, dass in den vergangenen Jahren in der Angelegenheit nichts weiterging. Auf österreichischer Seite, wohlgemerkt. Die Idee gibt es jedenfalls schon wirklich lang. In Österreich wurde das Thema erstmals unter FPÖ-Verkehrsminister Michael Schmid virulent. Und der war immerhin schon im Jahr 2000 in Amt und Würden. Dann kamen und gingen die Verkehrsminister Monika Forstinger (FPÖ), Mathias Reichhold (FPÖ), Hubert Gorbach (FPÖ) und Werner Faymann (SPÖ). Nichts passierte.

Wobei in der Ära Faymann zumindest ein Versuch unternommen wurde. Der damalige SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer war von dem Projekt jedenfalls ziemlich angetan – wohl auch nach gutem Zureden seines Freundes, Rechtsanwalt Leopold Specht. Der saß damals immerhin im ÖBB-Aufsichtsrat.

Die Sache verlief dennoch im Sand. Klar: Mit so einem Projekt sind nicht rasche, sichtbare Erfolge zu verbuchen. Im Gegenteil: Zunächst muss einmal jede Menge Geld in die Hand genommen werden. Am Geld scheiterte das Ganze bislang denn auch. Und an der ablehnenden Haltung der von der neuen Eisenbahntrasse betroffenen Bundesländer Niederösterreich und Burgenland.

Dann kam Doris Bures. Per Dezember 2008 übernahm die SPÖlerin das Verkehrsministerium. Und immerhin: Anfang 2009 wurde die Breitspur Planungsges.m.b.H. gegründet. Ein Unternehmen, das zu je einem Viertel den Russen, den Ukrainern, den Slowaken und den Österreichern – sprich: den ÖBB – gehört. Dann wurde sogar der Unternehmensberater Roland Berger beauftragt, ein Grundlagenpapier zu erarbeiten. Es soll freilich inhaltlich recht dürr gewesen sein und wurde rasch schubladisiert. Zwei Millionen Euro hat der Spaß gekostet.

Bei den Partnern machte sich ein gerüttelt Maß an Ungeduld breit: Die Ukrainer und die Slowaken drohten mit dem Absprung. Der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ging derweil mit einem Alternativprojekt hausieren: der Führung der Breitspurstrecke über Polen nach Deutschland. Österreich drohte das feine Projekt abhandenzukommen.

Glückliche Fügung: Als Spindelegger am 15. Mai seine „Österreich-Rede“ in der Hofburg hielt, war dort alles, was in der Volkspartei Rang und Namen hat, anwesend.

Aber auch zwei SPÖler gaben ihm die Ehre: ÖBB-Chef Christian Kern und Siemens-Boss Wolfgang Hesoun. Spindelegger sprach die beiden am Rand der Veranstaltung auf das Breitspurprojekt an. Und jetzt kommt Bewegung rein.

Erstaunlicherweise geht es nun, nach jahrelangem Quasi-Stillstand, recht schnell. Mittlerweile soll auch der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl im Boot sein. Der Preis dafür war die Zusage, dass der Terminal in Parndorf errichtet werden soll.

Damit musste nur mehr der Regierungspartner „geknackt“ werden. Nach gelungener Absprache mit Kanzler Werner Faymann ließ Spindelegger sein Kabinett einen Regierungsantrag formulieren, der freilich von der einigermaßen pikierten Doris Bures eingebracht werden musste.Am 11. Juni wurde der Antrag im Ministerrat abgesegnet.

Und damit ist alles auf Schiene. Vorerst, zumindest: Am 4. Juli wird Österreich mit Russland jedenfalls ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnen. Womit die Russen verbindlich zusagen werden, dass sie 20 Millionen Euro in die Hand nehmen, um eine Planungsstudie anfertigen zu lassen.

Bei dieser Studie geht es um das nicht ganz unwesentliche Detail, wie viel das ganze Projekt kosten und wer welchen finanziellen Anteil übernehmen soll. Ursprünglich war von einem gesamten Investitionsvolumen in der Höhe von sechs Milliarden Euro die Rede. Mittlerweile wird das Projekt eher nicht billiger geworden sein.

Dem Vernehmen nach sind die Österreicher bereit, ein Viertel der Terminal-Kosten zu übernehmen. Zusätzlich zu den Kosten für die rund 40 Kilometer lange Trasse, die von der Grenze nach Parndorf führen soll.

Verhandlungssache. Aber die Österreicher hatten es bisher ja eh nicht eilig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2013)

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