Einigung macht Weg für umstrittene Jugendprogramme frei

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Experten kritisieren die sechs Milliarden Euro schweren Hilfen gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Krisenländern als wenig effektiv.

Brüssel. So erleichtert hat man José Manuel Barroso schon lange nicht mehr gesehen. Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Kommissionspräsidenten, als er gestern, Donnerstag, mit Parlamentspräsident Martin Schulz und dem irischen Ratsvorsitzenden Enda Kenny die mühsam erzielte Einigung über das EU-Budget für die Jahre 2014–2020 verkündete. Barroso hatte die beiden Männer auf Druck der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nur wenige Stunden vor Beginn des EU-Gipfels zu einem gemeinsamen Frühstück geladen, um doch noch einen Kompromiss zu erzielen.

Der siebenjährige Haushaltsrahmen soll wie gehabt 960 Milliarden Euro an Verpflichtungen und 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen umfassen. Nach dem Wunsch des Parlaments kann die EU künftig über nicht abgerufene Gelder frei verfügen, wie gestern beschlossen wurde: Diese werden nicht wie bisher an die Mitgliedstaaten zurücküberwiesen. Ferner sieht die Vereinbarung ein Vorziehen von Mitteln für Jugendbeschäftigung, Forschung sowie Klein- und Mittelunternehmen vor. Der Kompromiss ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, weil einerseits das Plenum des Parlaments noch seinen Sanktus geben muss. Andererseits kündigte der britische Premier David Cameron gestern Nachmittag vor Gipfelbeginn an, dass er Änderungen an der beim Februar-Gipfel unter den Mitgliedstaaten erzielten Einigung nicht gutheißen werde.

Konsens besteht nun aber wenigstens über die budgetären Eckdaten – eine ganz wesentliche Hürde für die Beratungen der Staats- und Regierungschefs gestern und heute in Brüssel. Die Teilnehmer wollen nämlich sechs Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit lockermachen, die Teil der Finanzplanung sind. Doch vonseiten einiger Hilfsempfänger wie Spanien und Griechenland hagelt es bereits Kritik, was Höhe und Verwendung der Gelder betrifft. Insbesondere die Förderung für Unternehmen komme zu kurz, heißt es.

Auch Experten sind skeptisch. „Generell gilt, dass die Politik derzeit wieder glaubt, sie müsse mit vorgetäuschten, aufgeblähten Milliardenbeträgen Märkte, Wähler und Medien beeindrucken“, sagte Klaus Zimmermann, Direktor des Instituts für die Zukunft der Arbeit (IZA), kürzlich in einem Interview. Die gesonderte Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sei politisch zwar verständlich, sachlich aber der falsche Ansatz. Wichtig seien Strukturreformen auf den Märkten, betont auch Daniel Gros, Wissenschaftler beim Centre for European Studies.

Jugendgarantie und duale Ausbildung

Woran es hakt, wird bei genauerer Betrachtung der anvisierten Maßnahmen offensichtlich: Die Jugendgarantie beispielsweise zielt darauf ab, dass jeder Jugendliche unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten einen Job, eine Ausbildungsstelle oder ein Praktikum erhält. Damit, warnen Experten, würden die Chancen der jungen Menschen auf eine dauerhafte Arbeitsstelle aber nicht unbedingt steigen: Die Maßnahme bedingt lediglich, dass die Betroffenen eine Zeit lang aus der Arbeitslosenstatistik fallen. Auch das duale Ausbildungssystem kann nur in Staaten funktionieren, in denen es ausreichend Unternehmen gibt, die jungen Menschen einen Ausbildungsplatz bieten können.

Auf eine langfristige Besserung der Situation zielt ein Vorschlag der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ab: Ein „Solidaritätsfonds“ soll die Konjunktur in der Eurozone ankurbeln. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg. Ein solcher Fonds, betonte Merkel, bedinge eine engere Verzahnung der Mitgliedstaaten in der Wirtschaftspolitik – und die Debatte darüber wurde bekanntlich auf den nächsten Gipfel verschoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2013)

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