Verhaftungen und Rücktritte: In der geheimnisumwobenen Vatikanbank IOR bleibt kein Stein auf dem anderen. Papst Franziskus scheint entschlossen, den Augiasstall auszumisten.
In diesen Tagen geschehen außerordentliche Dinge in der Vatikanbank“, erklärte ein IOR-Insider nach der Verhaftung eines Monsignore und drei weiteren Personen vergangene Woche dem „Corriere della Sera“. „Die Strategie des Papstes bezüglich des IOR wird zwar von der Kurie behindert – aber von den italienischen Staatsanwälten unterstützt.“ Es solle niemand glauben, führte der anonyme Prälat weiter aus, dass die drei Verhaftungen die einzigen spektakulären Ereignisse bleiben würden.
Der Geistliche sollte schneller recht behalten, als er wohl selbst gedacht hatte. Anfang der Woche teilte der Vatikan mit, dass mit Paolo Cipriani und Massimo Tulli sowohl der Generaldirektor als auch sein Vize Knall auf Fall zurückgetreten seien, und dass der deutsche Bankpräsident Ernst von Freyberg interimistisch deren Funktionen übernehmen werde. Bei den Rücktritten der beiden Topmanager des IOR hatten offenbar ebenfalls die Staatsanwälte ihre Hände im Spiel: Cipriani und Tulli standen im Rahmen einer seit dem Jahr 2010 laufenden Geldwäsche-Untersuchung gegen die Vatikanbank auf der Liste der Verdächtigen – angeblich steht die Anklageerhebung bevor.
Alles dreht sich um das Konto Nummer 49577 bei der römischen Handwerkerbank Credito Artigiano. Auf dieses Konto wurden im Jahr 2010 23 Millionen Euro aus dem IOR geparkt; danach sollte das Geld in eine deutsche Filiale der JP-Morgan-Bank weitergeleitet werden. Die italienische Finanzpolizei witterte Geldwäsche und fror die Summe ein; im Zuge der Ermittlungen kamen zahlreiche weitere verdächtige Transaktionen zum Vorschein, unter anderem auch jene, für welche Monsignore Nunzio Scarano am Freitag hinter Gitter wanderte. Der Bischof hat inzwischen zugegeben, dass er über einen Finanzmakler und einen Ex-Geheimdienstagenten 20 Millionen Euro von einer Luganeser UBS-Filiale auf ein Konto der Vatikanbank schleusen wollte. Cipriani und Tulli sollen über diese Machenschaften ganz oder zum Teil im Bild gewesen sein.
Lange Tradition
Suspekte Finanzgeschäfte haben in der Vatikanbank Tradition – der im Jahr 1982 ermordete „Bankier Gottes“ Roberto Calvi hatte schon in den Siebzigerjahren unter Verwendung von IOR-Konten Mafiagelder gewaschen. Das Problem ist immer dasselbe: Das im Jahr 1944 gegründete und in dem mittelalterlichen Turm Nikolaus V. untergebrachte Finanzinstitut ist bis heute weitgehend intransparent geblieben. Die meisten der rund 30.000 Konten lauten auf Prälaten, Priester, Nonnen, religiöse Gemeinschaften, Kirchgemeinden. Dies wird von Finanzjongleuren und Kriminellen innerhalb und außerhalb des Kirchenstaats ausgenutzt. Konten werden auf die Namen von – oft nichts ahnenden – Kirchendienern eröffnet und für Geldwäsche und andere illegale Geschäfte missbraucht.
Doch seit der Wahl des Argentiniers Jorge Bergoglio zum Papst hat eine Zeitenwende eingesetzt. Vatikan-Kenner sind überzeugt, dass weitere Köpfe rollen werden – möglicherweise sogar jener von Bankpräsident Ernst von Freyberg. Er war im Februar nach der Rücktrittsankündigung Benedikts XVI., aber noch vor der Wahl des neuen Papstes ernannt worden. Offenbar ein Manöver von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der mächtigen grauen Eminenz der Kurie.
Doch Papst Franziskus will offensichtlich nicht mehr länger hinnehmen, dass der Ruf der Kirche periodisch durch kriminelle Machenschaften in einem vatikanischen Finanzinstitut ramponiert wird. Er hat eine Sonderkommission für die Vatikanbank eingesetzt. Im Oktober soll es Vorschläge geben, wie es mit der Bank weitergehen soll. Die Auflösung des Instituts ist kein Tabu. Erst kürzlich wies der Papst darauf hin, dass „der heilige Petrus kein Bankkonto hatte“. Geschweige denn eine Bank.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2013)