Baldriantee gibt's nur für die Reben

Winzertreff Baldriantee gibts fuer
Winzertreff Baldriantee gibts fuer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Puristisch, wild und spaßig - so schmeckt der Saft junger Winzer, und so feiern sie auch ihre Partys, egal, ob im Weinberg oder hinter der Opernbühne.

Wien. An das Fest mit den ungarischen Erntehelfern in Sopron erinnert sich Markus Fischl von Ceel Wines noch immer. Lang ist es gegangen, bis in die Früh hinein, und das, obwohl er kein Wort Ungarisch spricht. Der 24-Jährige hat mit seinen „Jungs“ Martin Kern und Franz Raith 2010 das familiäre Weingut in Rust reaktiviert, wo er mittlerweile „puristisch-wilden“ Wein abfüllt. „Bei uns steht der Spaß im Mittelpunkt, das soll auch beim Wein so sein“, erzählt er im Vorfeld einer Weinmesse, die ihn und andere Jungwinzer erstmals gemeinsam zum Ausschenken und Auflegen auffordert. Der Funke zur Weinparty sprang dem Veranstalter und Wirten Konstantin Kerschbaum beim Besuch einer Weinmesse in der ehrwürdigen Wiener Hofburg über, die war „heiß, steif und gefüllt mit Pensionisten“. Warum geht es nicht locker ohne Gehabe und Gegurgel? Gedacht, umgesetzt. Gemeinsam mit dem Barchef vom Wein & Wasser, Georg Schweiger, und einem hoch temperierten Club der Leopoldstadt, der Pratersauna, wurde die chichifreie Weinmesse komponiert. „Das passt auch gut in die Zeit, bei vielen Winzern findet momentan ein Generationswechsel statt“, erklärt Kerschbaum den Winzertreff.

Alternative Traubenpflege

Für Susanne Renner, die am 25. Juli ebenfalls einen Stand vor dem Pool des Saunagartens betreut, ist es noch nicht an der Zeit. Den Eltern in Gols hilft sie vorerst nur, wenn Not am Mann ist. Momentan arbeitet die junge Hutmacherin nämlich nicht auf der Parndorfer Platte mit würzigem Pannobile und beerigem Blauburgunder, sondern in Wien bei dem Modelabel Schella Kann. Aber je älter sie wird, desto interessanter wird der elterliche Weinbaubetrieb, schildert sie. Gerade auch, weil die Winzerei eine Männerdomäne ist, der ein paar Damen nicht schlecht täten. „Judith Beck und andere Winzerinnen motivieren mich, in dieselbe Richtung zu gehen.“ Prophylaktisch hat sie den Basiskurs an der Weinakademie belegt, nur für alle Fälle. Nicht selten kommt mit der jungen Generation auch eine neue Denkweise ins Spiel.

„Wir gehen alle weg von der Monokultur, bei der es nur um rationelles Arbeiten geht“, spricht der Kamptaler Alwin Jurtschitsch für seine Kollegen. Wie schnell der Traktor die Kurve kriegt, ist uninteressant, da wird lieber von Hand gepflückt, um keine Stängel und Blumen in die Maische zu bekommen. „Es geht um die Vielfalt, nicht um Birkenstock-Romantik, und es geht um die Frage: Was können wir weglassen und immer noch großen Wein machen.“ Schönungsmittel und Aromen zum Beispiel. Im Keller arbeitet Jungwinzer Alwin Jurtschitsch, der seit 2009 das Gut der Eltern in Langenlois führt, wieder mit den puristischen Methoden seines Großvaters. Der Reiz liegt im Weingarten vergraben. „Vor vier Wochen hatten wir Hagel, eine Katastrophe, für die man schnell eine Lösung braucht. Wir haben mit Baldriantee gespritzt, das bringt Balance.“ Und um von Kupfer und Schwefel loszukommen, zwei Schwergewichten im Bio-Weinbau, experimentiert er derzeit an der TU mit Molke.

Berüchtigte Alkoholdealer

Motiviert sind die Jungwinzer aber nicht nur in der Bodenkultur, sondern auch auf dem Dancefloor: „Wein und Partys gehören einfach zusammen“, stellt der 25-jährige Wolfgang Hagn fest, der mit seinen Weinen so manchen Preis gewinnt, zuletzt den Vineus Wine Culture Award. Den Ceel-Jungs reicht im Sommer freier Himmel mit eisgekühltem „Was auch immer“. Ausgefallen geht es aber auch, unlängst wurde hinter der Bühne in St. Margarethen während „La Bohème“ gefeiert.

Michael Schwarz aus Andau im Seewinkel wird bald ins Familiengeschäft einsteigen, noch studiert er an der Boku Wien, was ihm eine Vorliebe für „abgefuckte Clubs und elektronische Musik“ eingebracht hat. Und Alwin Jurtschitsch, der war schon in der Schule ein „berühmt-berüchtigter Alkoholdealer“. Er erinnert sich, wie er wild pubertierend „mit einer Trockenbeerenauslese auf dem Campingkocher den wahrscheinlich teuersten Glühwein der Welt“ zauberte. Heute feiert der Reformer vom Käferberg zwischen den Reben mit Freunden, Musikern und der Polizei, „weil wir ganz Langenlois beschallen“, und natürlich während der Weinlese. Eine Tradition, die er während seiner Kübelträgertage in Neuseeland kennengelernt hat. „Die Ernte wurde dort jeden Abend mit Steaks und Bier zelebriert, sie war die geilste Zeit des Jahres.“ Diesen Geist hat er mit nach Hause genommen. „Wir haben jetzt ein junges, internationales Ernteteam, weil es Austausch und Frische braucht, wenn man 16 Stunden am Tag arbeitet. Und wir überlegen, ob wir heuer zum ersten Mal unser eigenes Bier brauen.“ Auf das braucht man bei der „Sound of Wine“ aber nicht zu bauen.

Sound of Wine

Weinmesse. 30 österreichische Winzer schenken am 25. Juli ab 17 Uhr in der Wiener Pratersauna aus, magenfüllend treten das Neni und der Genussheurige Bauer auf. Ab 22 Uhr wird getanzt, um die akustische Verpflegung kümmern sich die Winzer selbst, das Neni Art Collective, Philipp S., Nik Jacobs, Kebara und Robosonic. www.pratersauna.tv

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)

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