Warum es trotzdem nicht dazu kommen wird.
Je länger die Legislaturperiode dauert, desto stärker scheinen die Regierungsparteien ihr kreatives Potenzial entfalten zu können. Die SPÖ zum Beispiel hat zwei Monate vor der Wahl endlich eine Lösung für die Schieflagen im Steuersystem gefunden: Einkommen bis 4000 Euro sollen entlastet werden – unter anderem, indem der Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent gesenkt wird.
Man muss nicht Michael Spindelegger heißen, um vorhersagen zu können, dass sich demnächst auch die ÖVP mit einem Reformkonzept zu Wort melden wird. Ziemlich sicher wird auch darin die Forderung enthalten sein, kleinen und mittleren Einkommen möglichst bald eine Steuerentlastung angedeihen zu lassen.
In einem Land, in dem die Abgabenquote mittlerweile bei rund 45Prozent liegt und Arbeitseinkommen besonders hoch besteuert werden, kann man diese Vorschläge nur begrüßen. Wer hätte nicht gern mehr netto vom Brutto?
So. Und jetzt unterziehen wir diese Pläne einem Realitätscheck: Nach der Wahl werden SPÖ und ÖVP wohl wieder eine Regierung bilden. Angesichts der hohen Staatsschulden müsste eine Steuerentlastung gegenfinanziert werden. Nur: Eine Millionärssteuer will die ÖVP (aus gutem Grund) nicht. Und Reformen, die strukturelle Einsparungen bringen, sind generell nichts, was sich mit einer Großen Koalition vereinbaren ließe.
Möglicherweise hängt der neue Gestaltungswille also direkt mit dem Wahlkampf zusammen. Glaubwürdiger wird er deshalb nicht. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit reicht: Angeblich wurde Österreich auch schon bisher von SPÖ und ÖVP regiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2013)