Heißhunger: Ramadan ist Geschäft für Märkte

Vor allem während des Fastenmonats Ramadan sind Muslime die besten Kunden des Brunnenmarkts.
Vor allem während des Fastenmonats Ramadan sind Muslime die besten Kunden des Brunnenmarkts.(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Während des islamischen Fastenmonats Ramadan steigen die Umsätze im Wiener Lebensmittelhandel um bis zu 25 Prozent.

Wien. Hüseyin Akar spricht im Stakkato und macht alles gleichzeitig: „Zwei Kilo. Bitt' schön“, ruft er über den großen Haufen von Tomaten, Gurken, Paprika, die vor ihm auf seinem Verkaufsstand liegen. Im Eiltempo packt er Auberginen in einen Plastiksack, wiegt sie ab und reicht sie einer Frau mit Kopftuch. „Bitt' schön. Guten Appetit“, und ist schon  – „bitt schön“ – beim nächsten Kunde. Denn es muss schnell gehen: „Ramadan ist ein guter Monat“, sagt er.

Auch die nächsten Frauen in der Schlange sind Muslime. Dicht aneinandergedrängt ziehen sie zu Dutzenden ihre gut gefüllten Trolleys von einem Verkaufsstand des Brunnenmarkts zum nächsten. Schließlich steht am Abend das Fastenbrechen an. Bis dahin müssen alle Einkäufe erledigt sein.

Mehr als 500.000 Muslime leben in Österreich, die genaue Zahl für Wien ist nicht bekannt. Personen mit türkischen Wurzeln bilden dabei die Mehrheit, gefolgt von Bosniern. Rund 80 Prozent von ihnen praktizieren den islamischen Fastenmonat Ramadan, der am 8. Juli begonnen hat und bis 7. August dauert. Die Regeln sind einfach. Zwischen Sonnenauf- und -untergang wird weder gegessen noch getrunken, auch rauchen und Geschlechtsverkehr sind nicht erlaubt. Am Abend hingegen treffen sich Verwandte und Freunde zum gemeinsamen Fastenbrechen – und das ist kein gewöhnliches Abendessen, sondern ein üppiges Festmahl. Daher ist es auch wenig überraschend, dass in dieser Zeit der Umsatz im Wiener Lebensmittelhandel in allen Bereichen, die vor allem von der muslimischen Gemeinde der Stadt frequentiert werden, um bis zu 25 Prozent steigt. Also beispielsweise auf dem Brunnen-, Hannover- und Viktor-Adler-Markt.

„Aber auch auf Wochen- und Bauernmärkten sowie in Greißlereien und Bäckereien wie etwa der türkischen Großbäckerei Ipek“, sagt Alexander Hengl vom Wiener Marktamt. Und weiter: „Viele Erzeugerbetriebe beschäftigen während des Ramadan sogar zusätzliche Angestellte, um die Nachfrage zu decken.“

Hemmungslos essen und trinken

Dass in einem Monat, der im Zeichen des Fastens und der Entsagung steht, mehr Lebensmittel verkauft werden als sonst, ist für ihn keineswegs ein Paradoxon. „Wenn man nicht mit einem Einkaufszettel, sondern mit Heißhunger auf den Markt geht, kauft man natürlich mehr ein als unbedingt nötig“, so Hengl.

„Was schade ist, da sicher viele Lebensmittel weggeworfen werden. Aber dem Handel kann das egal sein.“ Er vergleicht Ramadan ein wenig mit den Faschingstagen. „Kurz bevor die christliche Fastenzeit beginnt, wird derart hemmungslos gegessen und getrunken, dass man sich schon die Frage stellt, ob das alles denn wirklich sein muss.“ Ähnlich verhalte es sich während des Ramadan bei den Muslimen, wenn die Sonne untergeht. Den Umsatzanstieg bei Märkten zu Ramadan bestätigt auch Doris Knor, Obfrau des Wiener Wirtschaftsbundes der Markthändler. Wenngleich das Geschäft in den vergangenen beiden Jahren nicht so gut gelaufen sei wie in den Jahren zuvor, da der Fastenmonat in die Schulferien fiel und viele Muslime auf Urlaub in ihre Herkunftsländer gefahren seien.

Für Hüseyin Akar sind die Ferien kein Problem. Dafür sind die Abende länger und die Leute haben mehr Zeit zum Einkaufen, erklärt er. Das gleiche sich schon aus. Und der gebürtige Türke weiß, wovon er spricht. Er ist schon lange im Geschäft. „Seit 15 Jahren“, sagt er und macht eine Handbewegung, als ob er die Jahre wegwerfen würde. Ramadan habe schon immer den Umsatz angekurbelt. Vor allem dann, wenn wie in den vergangenen Wochen das Wetter schön ist und sich die Menschen viel auf Märkten aufhalten. Das verleite sie nämlich zum Einkaufen. Oder wie es Akar ausdrückt: „Wenn sie etwas sehen, dann kaufen sie auch. So einfach.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.