Westliche Botschaften im Jemen bleiben geschlossen. Die dortige al-Qaida-Filiale gehört zu den aktivsten weltweit. Doch auch anderswo im Nahen Osten hat sich das Terrornetzwerk etabliert.
Kairo. Die Botschaften westlicher Staaten dürften auch in den folgenden Tagen geschlossen bleiben. Darauf deutet die Entscheidung Großbritanniens hin, das am Montag bekannt gab, die britische Botschaft im Jemen werde erst nach dem Ende des Ramadan wieder ihre Tore öffnen. Der Fastenmonat endet am Mittwochabend. Großbritannien, Deutschland und Frankreich gehören zu jenen europäischen Staaten, die es den USA gleichgetan haben: Auch sie verriegelten ihre Botschaften in Sanaa. Die USA hielten am Montag noch 19 ihrer Vertretungen, Botschaften und Konsulate in Ostafrika und im Nahen Osten geschlossen. Sie sollen es bis einschließlich Samstag bleiben.
Straßenkontrollen und Panzer
Aus der jemenitischen Hauptstadt kommen offenbar konkrete Hinweise zu geplanten Anschlägen auf „amerikanische und westliche Ziele“. Seit Tagen gehören erhöhte Sicherheitsmaßnahmen zum Alltag. In den Straßen des Botschaftsviertels fuhren zusätzliche Schützenpanzer der „Zentralen Sicherheitskräfte“ auf, die seit Jahren von amerikanischen und britischen Ausbildnern im Anti-Terrorkampf geschult werden. Stadteinfahrten wurden kontrolliert. Es gebe eine „enge Zusammenarbeit mit der amerikanischen Seite“, sagte ein jemenitischer Sicherheitsbeamter. Die Maßnahmen würden getroffen, weil man das Terrornetzwerk al-Qaida hinter der Anschlagswarnung vermute.
Der Jemen ist die Heimat des vielleicht aktivsten al-Qaida-Ablegers – der „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“. Aus der Sicht Washingtons gehört diese Filiale zu den gefährlichsten weltweit.
Hier sitzen die Organisatoren des missglückten Anschlags vom 25. Dezember 2009, als der „Unterhosenbomber“ Umar Farouk Abdulmutallab, beladen mit Sprengstoff, in Amsterdam ein Flugzeug nach Detroit bestieg. Paketbomben für Frachtflugzeuge wurden von hier 2010 auf den Weg gebracht. 2012 gab es im Jemen bereits ähnlich viele US-Drohnenangriffe wie in Pakistan, 2013 sieht das Bild ähnlich aus – 18 Einsätze in Pakistan, 15 im Jemen. Kürzlich gelang es den US-Schützen, mit dem saudischen Ex-Guantanamo-Häftling Saeed al-Shihri die Nummer zwei der al-Qaida im Jemen zu töten. Ibrahim Hassan al-Asiri jedoch, der Hosenbombe und Paketbomben bastelte, ist wie vom Erdboden verschluckt. Nach Angaben von Überläufern gibt er in seinem Versteck Sprengstoffkurse für Nachahmer und geht weiter seinem mörderischen Handwerk nach.
Anschläge auf Diplomaten
Erst vorvergangene Woche töteten mutmaßliche al-Qaida-Kämpfer einen Bodyguard und einen Fahrer eines saudiarabischen Diplomaten in Sanaa. Auch ein jemenitischer Soldat, der die italienische Botschaft bewachte, wurde von Scharfschützen getötet.
Doch al-Qaida-Ableger sind auch in anderen Ländern in der Region aktiv. Im Juli waren die Gotteskrieger an mehreren Gefängnisausbrüchen beteiligt, im Irak, in Pakistan und Libyen. „Hunderte Terroristen und gewöhnliche Kriminelle“ wurden dabei befreit, notierte die internationale Polizeibehörde Interpol.
Konflikte mit lokalen Milizen
Vor allem in Syrien und dem Irak kommt dem Netzwerk eine destabilisierende Rolle zu. In Syrien operieren viele tausend Jihadisten aus aller Herren Länder, die meisten aus dem Irak, viele auch aus Saudi-Arabien, Tunesien, Ägypten, aber auch aus Europa und der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Erst im April vereinigten sich die al-Qaida-Verbände von Irak und Syrien zum „Islamischen Staat im Irak und in der Levante“. „Die Schlachtfelder wachsen zusammen“, so der bisherige UN-Sonderbeauftragte für den Irak, Martin Kobler. In Syrien tragen die Extremisten, obwohl geringer an der Zahl, die Hauptlast im Kampf gegen das Assad-Regime.
Immer häufiger jedoch geraten sie mit der „Freien Syrischen Armee“ und der Bevölkerung aneinander. Denn die Gotteskrieger richten Scharia-Gerichtshöfe ein, drangsalieren die Menschen mit ihren frommen Vorschriften. Zahlreiche Exekutionen von gefangenen Assad-Soldaten gehen auf ihr Konto. In Latakia zogen sie sich den Zorn des Oberkommandos der „Freien Syrischen Armee“ zu, als sie im Streit um eine Straßensperre einen populären Kommandeur erschossen. Unlängst eskalierten auch die Kämpfe zwischen al-Qaida und Milizen der syrischen Kurden.
In Tunesien führt die Armee erstmals eine regelrechte Großoffensive gegen al-Qaida, die sich in der Bergregion Chaambi nahe der Grenze zu Algerien verschanzt hat. Seit Tagen sind Hubschrauber und Infanterie im Einsatz. Gotteskrieger hatten eine Armeepatrouille in einen Hinterhalt gelockt, acht jungen Soldaten die Kehlen durchgeschnitten und ihre Leichen grausam verstümmelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2013)