Interview

Ökonom Fratzscher: „Man hat fast das Gefühl, man lebt im Sozialismus“

Marcel Fratzscher: „Die Schuldenbremse ist unsinnig.“
Marcel Fratzscher: „Die Schuldenbremse ist unsinnig.“Stefan Boness
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Der deutsche Ökonom Marcel Fratzscher über „Panikmache“, Erstsemesteransichten des Finanzministers zur Inflation und die Neigung mancher Industriechefs, der Politik die Schuld für ihre eigenen Fehler zu geben.

Die Presse: Seit Kurzem wird darüber debattiert, ob Deutschland wieder der „kranke Mann Europas“ ist. Zu Recht?

Marcel Fratzscher: Zumindest noch nicht. Meine Sorge ist, dass Deutschland wieder der kranke Mann Europas werden könnte. Ähnlich wie Österreich haben wir eine offene Volkswirtschaft, die stark von Exporten in die Welt abhängt. Damit sind wir hart getroffen, genauso wie durch die höheren Energiekosten. Die Panikmache, die herrscht, ist aber nicht gerechtfertigt. Dass Deutschland sich wirtschaftlich in diesem Jahr schlechter entwickelt als europäische Nachbarn kann man durch die Offenheit der Volkswirtschaft und die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas vor dem Krieg recht gut erklären. 

Deutsche Industriebosse warnen vor einem Abwärtstrend. Übertreiben sie?

Nein, ich teile die Sorge. Viele Konzerne haben die ökologische, digitale und wirtschaftliche Transformation verschlafen. Sie haben sich in starke Abhängigkeit von China begeben und erpressbar gemacht. Die Auto­industrie ist ein schönes Beispiel: Deutsche Autokonzerne waren in den 2010er-Jahren extrem erfolgreich, indem sie alte Technologien ausgeschlachtet haben. Sie haben zu wenig in E-Mobilität und autonomes Fahren investiert. Dasselbe betrifft andere Branchen, auch die Chemie. Diese Fehler wurden begangen und müssen korrigiert werden. 

Welche Rolle sollte die Politik spielen?

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