Sara Soltani ist überzeugt davon, dass die neue migrantische Mittelschicht das Potenzial hat, den Weg für mehr Menschen mit Migrationserfahrungen zu ebnen.
Sozialer Aufstieg

Migrantische Mittelschicht: „Ich habe mein Glück erzwungen“

Sie sind nicht mehr leise: Angehörige einer neuen migrantischen Mittelschicht sprechen darüber, wie sie den Aufstieg geschafft haben, und fordern gleichzeitig Änderungen im System.

Aufstieg durch Bildung – so würde man wohl die Biografie von Betiel Berhe betiteln. Die deutsche Ökonomin und Autorin ist als Kind einer migrantischen Arbeiterfamilie im süddeutschen Ulm aufgewachsen. Doch das Narrativ des sozialen Aufstiegs lehnt sie ab. „Ich spreche nicht gern davon, dass ich mir meinen Werdegang durch harte Arbeit verdient habe, weil das impliziert, dass andere Menschen sich das nicht verdient haben.“ Heute, ausgestattet mit den Privilegien der akademischen Mittelschicht, aber dennoch mit der Lebensrealität ihrer Eltern im Blick, ruft sie dazu auf, den Mythos vom Aufstieg zu dekonstruieren.

Als stolz auf das, was sie geschafft hat, bezeichnet sie sich nicht. „Stolz sind meine Eltern auf mich.“ Ihren Aufstieg führt sie auf Glück und „selektive Auswahl“ zurück. Sie habe im Schulsystem als devotes Mädchen reüssieren können: „Ich habe gut ins Narrativ vom ,ungefährlichen migrantischen Kind‘ gepasst und dadurch sogar noch Unterstützung erfahren.“

»Glück gehört dazu, aber Glück alleine reicht nicht aus. Ich hab auch etwas gewagt.«

Ethem Sahin

Unternehmensleiter und Betreiber eines Gästehauses

In ihrem Buch „Nie mehr leise. Die neue migrantische Mittelschicht“ berichtet sie von ihren eigenen Erfahrungen im deutschen Bildungssystem und in der Arbeitswelt, denkt Rassismus und Klassenzugehörigkeit zusammen und spricht davon, das Momentum der „neuen migrantischen Mittelschicht“ für politische Veränderung zu nutzen: „Bis vor etwa zehn Jahren war es in Deutschland oder Österreich selbstverständlich, als Migrantin automatisch auch Arbeiterin zu sein. Heute gibt es Menschen wie mich, die dieses Bild brechen, zwar wenige, aber doch mit einer gewissen Präsenz.“ Menschen wie sie würden mit dem unausgesprochenen Selbstverständnis, die „Ausnahme zu sein“, leben. „Man weiß, was es bedeutet, Arbeiterkind zu sein, gleichzeitig ist es ein ständiges Performen, jetzt woanders zu sein.“

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