Lehrervertreter wollen Nachteile verstärkt öffentlich debattieren, für Kampfmaßnahmen sei vorerst der falsche Zeitpunkt. Das geplante neue Dienstrecht sei vor allem ideologisch motiviert.
Wien/Ett. Die Bundesregierung wird möglicherweise noch diese Woche auch ohne Zustimmung der Lehrergewerkschafter einen Gesetzesentwurf für ein neues Lehrerdienstrecht in Begutachtung schicken. Nach der SPÖ hat sich auch Vizekanzler ÖVP-Obmann Michael Spindelegger im ORF-Fernsehen dafür ausgesprochen, allerdings hält er einen parlamentarischen Beschluss erst nach der Nationalratswahl für notwendig.
Die Lehrervertreter wettern, dass die Regierung damit die Verhandlungen „verlassen“ habe. Für gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen sei jetzt aber „der falsche Zeitpunkt“, erklärt Jürgen Rainer, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Lehrer an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, im Gespräch mit der „Presse“. Man werde jetzt „auf jeden Fall öffentliche Informationen“ über Nachteile und Folgen bieten. Nach dem Plan der Regierung soll die Kernarbeitszeit der Pädagogen in den Schulen künftig auf 24 Stunden (bisher 20 bis 22 Stunden) pro Woche erhöht werden.
Mit dem nunmehrigen Alleingang bei der Begutachtung des neuen Dienstrechts ohne eine Einigung bei den Verhandlungen scheinen sich die Lehrervertreter vorerst abzufinden. BMHS-Gewerkschaftschef Rainer stellt infrage, ob damit auf Druck von Bundeskanzler Werner Faymann eine weise Entscheidung getroffen wurde. Für ihn hängt diese Vorgangsweise lediglich mit dem bevorstehenden Nationalratswahlkampf zusammen. Die Regierung sei damit „von den Verhandlungen aufgestanden“: „Das ist ein Eingeständnis der Schwäche der Politik.“ Auf die Motive von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger für dessen Einlenken bei der Begutachtung wollte er nicht eingehen. Grundsätzlich wirft er den SPÖ-Regierungsmitgliedern vor, dass mit der Dauerdebatte um eine Reform des Dienstrechts vom Dienstgeber „ein negatives Image“ vom Lehrberuf geschaffen werde. Das färbe auf die Betroffenen ab: „Das haben unsere Lehrerinnen und Lehrer nicht verdient.“
Für ihn selbst ist der Umstand, dass nun ein Entwurf in Begutachtung gesendet werden soll, allerdings „kein Beinbruch“, so Rainer: „Ich stehe nicht auf und schreie Zeter und Mordio.“ Denn dies biete jetzt die Gelegenheit, die Diskussion über die ganze Tragweite der Folgen für das Bildungswesen öffentlich und „nicht nur in Hinterzimmern“ zu führen. Er warnt vor allem davor, dass mit einer Ausdehnung der Arbeitszeit künftig auch der Verlust von Arbeitsplätzen für Lehrer verbunden sei. „Diese Frage muss ein öffentliches Thema sein“, unterstreicht der BMHS-Lehrervertreter. Allein im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen würden 4000 bis 6000 Arbeitsplätze für Pädagogen verloren gehen.
Für Rainer sind die bisherigen Pläne der SPÖ-Ministerinnen Heinisch-Hosek und Schmied für ein einheitliches Dienstrecht für alle künftigen Pädagogen letztlich „ideologisch motiviert“: „Da geht es ausschließlich um die Frage: Wie mache ich ein Dienstrecht, damit ich die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen durchziehen kann?“ Dieses Argument werde man auch in den Debatten in den Vordergrund rücken.
Dienstrecht noch vor der Wahl?
Die Lehrergewerkschafter rechnen trotz der Begutachtung nach wie vor nicht mit einem parlamentarischen Beschluss eines neuen Dienstrechts noch vor der Nationalratswahl. Robert Lugar, Klubchef des Teams Stronach, hat aber bereits das Angebot an die SPÖ bekräftigt, eine Sondersitzung des Nationalrats einzuberufen und dabei ein neues Dienstrecht vor der Wahl am 29.September zu beschließen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2013)