Konzerte

Hype um Stadionkonzerte: Warum spielen Taylor Swift und Coldplay so oft in Wien? 

Auf der „Spheres World Tour“ von Coldplay gibt es riesige bunte Bälle für das Publikum
Auf der „Spheres World Tour“ von Coldplay gibt es riesige bunte Bälle für das Publikum APA / AFP / Mads Claus Rasmussen
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Statt je einmal in vielen Städten aufzutreten, geben Künstler mehrere Konzerte in einer Stadt. Veranstalter und ein Musikwirtschaftsforscher erklären, woran das liegt und was der Krieg in der Ukraine damit zu tun hat.

Hunderttausende Menschen werden im kommenden Jahr ins Wiener Ernst-Happel-Stadion pilgern. Denn die britische Band Coldplay hat gleich vier Konzerte dort angesetzt und US-Superstar Taylor Swift wird drei Mal im Stadion spielen. Alle Auftritte sind ausverkauft. Auch heuer, im ersten richtigen Konzertsommer nach Corona, gab es mehrere Doppelkonzerte; von der umstrittenen Neuen-Deutschen-Härte-Band Rammstein und von US-Sängerin Pink. Dass Künstler und Künstlerinnen gleich mehrfach in einer Stadt auftreten, wirkt neu.

„Die Superstars versuchen in Hinblick auf Kostensteigerung und Klimadiskussion, ihre Tourneen so effizient wie möglich anzulegen“, erklärt Veranstalter Ewald Tatar. Er ist Geschäftsführer von Barracuda-Music, einem Tochterunternehmen von CTS Eventim, und Nova-Rock-Intendant. „Wenn die Superstars früher etwa in 30 Städten je ein Konzert gegeben haben, treten sie jetzt in 15 Städten zweimal auf. Damit reduzieren sich Fußabdruck und Kosten.“

„Noch mehr Geld mit geblockten Stadionkonzerten verdienen“

„Mit geringerem Aufwand das Maximum herauszuholen“: So charakterisiert Peter Tschmuck, Musikwirtschaftsforscher an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, diese Vorgangsweise. Speziell der Veranstaltungsriese Live Nation (z. B. Coldplay) habe erkannt, „dass noch mehr Geld zu verdienen ist, wenn geblockte Stadionkonzerte angeboten werden“, so Tschmuck. „Das ist natürlich mit geringeren Kosten verbunden. Und es ist die Nachfrage da. Nach der Lockdown-Katastrophe sind die Fans ausgehungert, deswegen funktioniert diese Abschöpfungsstrategie ganz gut.“

Für Marek Lieberberg, CEO Live Nation GSA (Germany, Switzerland, Austria, Anm.), ist das „eine absurde Theorie, die völlig an der Realität vorbeigeht. Ohne eine überragende Nachfrage wären derartige Ansetzungen überhaupt nicht möglich.“ Er wies außerdem darauf hin, dass nicht nur Live Nation Großkonzerte mit mehreren Terminen in einer Stadt veranstaltet. Die Konzerte Swifts etwa werden von Barracuda organisiert.

Mehr als 600.000 Ticketanfragen für Coldplay

Mehrmals in einer Stadt aufzutreten, habe nichts mit einem Trend zu tun, betont Lieberberg. „Es handelt sich hierbei um Ausnahmekünstler, deren reale Popularität sich in mehreren Konzerten an einem Spielort spiegelt. Coldplay ist die erfolgreichste Band der Gegenwart. Für das Wiener Konzert gab es mehr als 600.000 Ticketanfragen, von denen noch nicht einmal 50 Prozent erfüllt werden konnten.“

Unerfüllt blieb auch der Wunsch nach einem Zusatztermin von Harry Styles, der heuer „nur“ einmal im ausverkauften Praterstadion gastierte. „Für Styles war es der erste Open-Air-Zyklus“, so Lieberberg, „und der Künstler wollte in möglichst vielen Ländern auftreten. Der Interpret und sein Management entscheiden letztlich über Veranstaltungsorte und Anzahl der Konzerte.“

Wien als „Tor zum Osten“

Tatar unterstreicht Wiens Rolle als „das Tor zum Osten“ am Beispiel Taylor Swift: „Wir sind die südöstlichste Station ihrer Tournee.“ Die Musikerin spielt auch drei Mal in Warschau, aber ihre anderen Europa-Konzerte finden weiter westlich statt.

Tschmuck wies auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hin: „Früher sind die Stars in Moskau aufgetreten, dieser Markt ist jetzt weggefallen. Man sucht sich einen sicheren Ersatz, Wien scheint davon zu profitieren.“

Ticketpreise: „Gibt einen starken Sekundärmarkt“

Ein Dauerthema sind die Ticketpreise. Bei Swifts Konzerten in den USA kletterten diese etwa teils in exorbitante Höhen. „Man muss genau schauen, wo man die Karte erwirbt“, rät Musikwirtschaftsforscher Tschmuck. „Direkt an der Quelle ist sie halbwegs günstig, aber es gibt mittlerweile einen starken Sekundärmarkt.“ Früher habe man das Schwarzmarkt genannt, jetzt sei es ein legalisierter Sekundärmarkt, „wo Onlineplattformen Kontingente aufkaufen oder sogar übertragen bekommen“, hält der Uniprofessor fest. „Die können dann die Zahlungsbereitschaft der Leute entsprechend ausnutzen.“ Stress beim Ticketkauf über offizielle Stellen ergebe sich durch diese „künstliche Verknappung“ der Kontingente.

Live Nation vertreibe all seine Tickets „ausschließlich zum Originalpreis über die offiziellen Ticketanbieter“, kontert Lieberberg: „Es werden grundsätzlich keine Eintrittskarten für den Sekundärmarkt bereitgestellt.“

„Hervorhebung der Ticketpreise reine Heuchelei“

Zu Kritik an der Höhe der Kartenpreise sagt Lieberberg: „Wenn man vergleicht, was andere Spitzenereignisse in Sport oder Kultur kosten, ist die Hervorhebung der Ticketpreise für Topkonzerte reine Heuchelei. Außerdem sind die Kosten für die komplexen Konzertanforderungen nach Corona um mehr als 50 Prozent gestiegen, ganz abgesehen von der allgemeinen Inflation.“

Tschmuck sieht hier auch gar nicht die Veranstalter grundsätzlich in der Verantwortung: „Letztendlich sind es die Künstlerinnen und Künstler, die auch eine Rolle spielen und einen Einfluss haben. Die könnten durchaus hinterfragen, ob die Tickets so teuer sein müssen. Sie könnten etwa weniger Garantiesummen einfordern.“ Abhängig von den Verträgen können diese Gelder auch fällig werden, sollte ein Konzert ausfallen oder nicht ausverkauft sein.

Auf Kosten kleinerer Konzerte?

Gefahr sieht der Tschmuck für die „künstlerische Mittelschicht“, die nicht mehr zu ihrem Publikum kommen könne. „Wie viele Konzertkarten kann man sich leisten pro Jahr?“, fragte er sich. „Man zahlt einen unverschämt hohen Betrag für einen Superstar, aber auf die kleineren Konzerte geht man dann nicht mehr“. Darin ortet er ein „Riesenproblem“.

Die für den Künstleraufbau zuständigen Leute, „die kleinere bis mittlere Locations brauchen“, würden gewaltig unter der Inflation und der Kostenexplosion stöhnen. „Die haben aber nicht den Spielraum, die Ticketpreise ohne weiteres anzuheben. Da gibt es eine schnellere Abwanderung, wenn die Karten teurer werden. Ich befürchte, dass diese wichtige Basis in den nächsten Jahren wegbricht.“

Im Herbst so gut wie keine Venues mehr frei

Dass Fans nicht mehr bereit sind, für kleinere Acts Geld auszugeben, sieht Lieberberg nicht: „Wir veranstalten die Mehrzahl unserer Tourneen in kleinen und mittleren Locations. Die Resonanz auf diese Konzerte widerlegt diese These eindeutig. Die moderne Musik in all ihren Facetten ist der Motor der Gegenwartskultur, ob als Stadion-, Rock- oder Clubkonzert“. Tatar argumentiert ähnlich: „Es finden heuer noch sehr viele Hallenshows statt, im Herbst sind so gut wie keine Venues mehr frei. Es kann natürlich sein, dass die eine oder andere Veranstaltung nicht zieht, wie erwartet. Aber das war schon immer so.“

Von einem Hype bei Stadionkonzerten könne man übrigens laut Lieberberg nicht sprechen: „In der Folge der Pandemie hat sich natürlich eine Ballung von Tourneen ergeben. Das wird sich normalisieren.“

Mit Liveauftritten wird das Geld verdient

Musikprofessor Tschmuck weist auf den Einfluss der Digitalisierung auf den Konzertmarkt hin. „Die Künstlerinnen und Künstler verdienen weniger mit dem Streaming, das trifft auch die Superstars. Sie mussten also ihr Geschäftsmodell ändern.“ Die Komplementarität zwischen Live- und phonografischem Geschäft – also dem Verkauf von Tonträgern – ist mit der Digitalisierung aufgebrochen. Das habe dazu geführt, dass jetzt der Livebereich jener ist, in dem Acts ihr Geld verdienen. (APA/Red.)

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