Kontroverse

Ungarn-Aufstand ein Akt von Faschisten? Putins Schulbuch wird für Orbán zum Problem

Orbán und Putin bei Treffen 2015.
Orbán und Putin bei Treffen 2015. Anadolu Agency
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Auch der Abzug der sowjetischen Soldaten aus den Warschauer-Pakt-Staaten wird als Fehler bezeichnet. Die Geschichtsfälschung ist für Putin-Versteher Orbán ziemlich unangenehm. Aber erhält sich mit Kritik zurück. Und schlägt in Interview „Deal“ mit Putin vor.

Ungarn fällt im Ukraine-Krieg mit seiner freundlich-neutralen Haltung gegenüber Russland auf. Aber die Nähe zu Moskau bringt Viktor Orbán und seine Regierung in diesen Tagen in eine unangenehme Lage. Denn ein neues Schulbuch in Russland für Elftklässler rehabilitiert nicht nur Stalin und verteidigt den Ukraine-Krieg. Auf den 400 Seiten wird auch der Ungarn-Aufstand 1956 zu einem vom Westen organisierten Aufstand umgedeutet und der Abzug der sowjetischen Truppen aus den einstmaligen Warschauer-Pakt-Staaten ab 1989 als Fehler bezeichnet. Darüber berichtet unter anderem die russische Investigativ-Plattform „Meduza“.

Ungarns Außenministerium hielt daraufhin den Ball eher flach. „1956 ist das Volk gegen die kommunistische Diktatur aufgestanden. Das ist eine offensichtliche Tatsache und kein Anlass für Debatten“, hieß es. Eine explizite Kritik an Russland verkniff sich Orbáns Regierung jedoch, die ansonsten immer sehr feinfühlig auf historische Kontroversen reagiert.

„Die Ungarn-Krise wurde durch westliche Geheimdienste ausgelöst“, ist laut „Meduza“ in dem Schulbuch zu lesen. Auch von radikalen Rebellen ist die Rede, ehemaligen Soldaten des faschistischen Ungarn, die zu den Waffen gegriffen und Morde begangen hätten. Der Ungarn-Aufstand, das Werk von westlichen Geheimdiensten und Faschisten? Diese Erzählung tischt Russland immer wieder auf, etwa auch mit Blick auf die Maidan-Revolution in Kiew. Und früher schon verbreiteten eben die Sowjets ähnliche Narrative.

Orbán während seiner historischen Rede 1989
Orbán während seiner historischen Rede 1989Istvan Csaba Toth

Die Episode ist für Orbán auch deshalb heikel, weil der Ungarn-Aufstand von 1956 unter anderem für die Anhänger seiner Fidesz-Partei ein historisches Schlüsselereignis ist und weil Orbáns politischer Aufstieg mit einer Rede 1989 verbunden wird, in der er die sowjetischen Soldaten aufgefordert hatte, das Land zu verlassen.

Als übrigens 2016 das russische Fernsehen zum 60. Jahrestag des Ungarn-Aufstands die Geschichte verfälschte, von marodierenden Nazis in Ungarn berichtete, zeigte sich Orbáns Regierung noch empört. Damals wurde laut dem ungarischen Nachrichtenportal Telex.hu der russische Botschafter einbestellt und eine Erklärung verbreitet, wonach man sinngemäß die Diffamierung der Helden von 1956 nicht dulde. Damals ging auch der Kreml auf Distanz und sprach davon, dass der Beitrag nicht die offizielle Haltung Russlands zeige. Neun Jahre später ist eine ähnliche Haltung sozusagen hochoffiziell abgedruckt in verpflichtenden Schulbüchern.

Orbán schlägt Deal mit Putin vor

Viktor Orbán hat unterdessen in einem Interview mit Tucker Carlson, einem rechten Scharfmacher, der bei Fox News in Ungnade gefallen ist, auf einen „Deal“ mit Russlands Putin gedrängt: „Wir sollten eine neue Sicherheitsarchitektur schaffen, die der Ukraine Sicherheit und Souveränität gibt, aber keine Nato-Mitgliedschaft“, sagte Orbán in dem Interview, das via X verbreitet wurde. Auch die Krim sollte Russland überlassen werden. Zumindest sei eine Rückeroberung „völlig unrealistisch“. Die geopolitische Lage bezeichnete Orbán als sehr gefährlich. Die Möglichkeit eines Dritten Weltkriegs klopfe an die Tür. Orbán hofft auf eine Rückkehr von US-Präsident Donald Trump. Denn die USA könnten den Krieg um die Ukraine in der Sekunde beenden, wenn sie wollten, behauptete Orbán.

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