Buch der Woche

Beim neuen Wolf Haas wird viel geseufzt

Schon in „Junger Mann“ kam sie vor, in diesem Roman ist die Mutter von Wolf Haas die Hauptfigur.
Schon in „Junger Mann“ kam sie vor, in diesem Roman ist die Mutter von Wolf Haas die Hauptfigur.Akos Burg
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Wolf Haas begleitet in seinem neuen Roman „Eigentum“ das Sterben der eigenen Mutter. Und kommt drauf, dass er doch einiges mit ihr gemeinsam hat.

Es gibt einen Punkt, an dem wir entdecken, dass die eigenen Eltern nicht nur Eltern sind. Nicht nur dazu da, uns zu lieben und uns zu umhegen oder uns das Leben schwer zu machen und uns zu ärgern, je nachdem oder irgendwas dazwischen, sondern dass sie ein Schicksal vor uns hatten – und eines, nachdem wir ausgezogen sind. Dass sie auch, als wir Kinder waren, neben uns lebten, glücklich, unglücklich. Vielleicht kommt der Punkt früh, vielleicht spät, manchmal dauert der Erkenntnisprozess Jahre, wir machen einen Schritt vor und einen zurück, und manchmal lernen wir rasch.

Bei Wolf Haas geht es sozusagen im Zeitraffer. In seinem Roman, in dem er autofiktional den Tod der eigenen Mutter begleitet, bleiben ihm gerade einmal fünf Tage vom Unverständnis für das stete Gejammere bis zu tiefem Mitgefühl mit einer durch Armut und Zurückweisung bitter gewordenen Frau. Wobei diese Spanne von fünf Tagen natürlich ein Kunstgriff ist, der allerdings wie vieles in diesem Roman so zwingend erscheint, dass wir geneigt sind, die Kunst dahinter zu vergessen.

Der Kunstgriff beschert uns zunächst eine vergnügliche Lektüre, Sterben hin oder her, Altersheim her oder hin, denn der genervte Sohn, den wir alle als Krimi-Autor kennen, ist in seinem Grant nur allzu komisch: „Mein ganzes Leben lang hat mir meine Mutter weisgemacht, dass es ihr schlecht ging. Drei Tage vor ihrem Tod kam sie mit der Neuigkeit daher, dass es ihr gut ging. Es musste ein Irrtum vorliegen“, erklärt er uns auf Seite eins und bindet der Mutter auch gleich einen Bären auf. Er habe, sagt er der 94-Jährigen, mit ihrem Vater telefoniert, es gehe ihm gut dort, wo er jetzt ist. Er habe nur einen Schnupfen. „Weil er nie aufpasst“, kontert die Mutter, und jetzt erinnert sich Wolfi, der auch nicht mehr jung ist, daran, dass man nie, also wirklich nie der Mutter gegenüber eine Krankheit erwähnen darf. Denn erstens gibt es dann Brennnesseltee und zweitens Vorwürfe.

Nichts wie Arbeit, Arbeit, Arbeit

Wobei sich die Vorwürfe nicht nur gegen den Verschnupften richten. Sondern gegen die Welt selbst. Die hat ihrer Familie übel mitgespielt, findet Marianne. Angefangen beim Großvater, dem Bauern, der einen kleinen Besitz hatte, ein „Lechn“, dieses verkauft und dafür ein bisschen größeres Lehen gekauft hat, und das wieder verkauft hat und so weiter, bis ihm die Weltläufte einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. „Dann ist die Inflation gekommen und das Geld war hin“. Den Nachkommen erging es nicht besser. Der Wunsch von Marianne nach den eigenen vier Wänden, er wird nie erfüllt. Sie schuftet, aber immer, wenn sie genug für die Anzahlung gespart hat, ist der Preis aufs Doppelte gestiegen. Die Geldentwertung, diesmal schleichend. Irgendwann gibt Marianne auf.

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