Umweltsorgen

Die Klimakrise macht zu wenigen Menschen Angst

Helmut Gruenbichler
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Die meisten akzeptieren die Probleme der zunehmenden Erderwärmung mit dem Verstand, Gefühle wie Angst oder Wut lassen jedoch die wenigsten entstehen. Das sei ganz und gar nicht gut, sagt die Wiener Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Eva Horn.

Wer hat Angst vorm Klimawandel? Niemand, so scheint es. Angesichts anderer gesellschaftlicher Ängste zumindest nicht angemessen genug. Das stellte die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Eva Horn von der Uni Wien beim Europäischen Forum Alpbach fest: „Außer einem rhetorischen Lamento scheint kaum jemand vor dem Klimawandel die gleiche Art Angst zu haben, wie sie große Teile der Bevölkerung vor steigenden Preisen, Krieg, sozialem Abstieg, Unfällen oder Migranten und Migrantinnen haben.“ Sie plädierte dafür, die Klimakrise als Sicherheitsproblem zu verstehen. Immerhin würden die davon ausgelösten Probleme auch von der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln über Naturkatastrophen bis hin zur massiven Migration von Menschen, die an bald nicht mehr bewohnbaren Orten leben, reichen.

Harte Diskussionen fehlen

Patentrezepte zum konstruktiven Handeln oder positive Narrative, wie sie häufig gefordert werden, würden nichts bringen, wenn nur die wenigsten dem Thema wirklich Priorität einräumen. „Der Klimawandel ist kein Marketingproblem“, sagt Horn. Problematisch sei vielmehr, dass er der Politik schwierige Entscheidungen abverlangt: Pensionen erhöhen oder den Jungen, den nachfolgenden Generationen, etwas Gutes tun? Sich vom Wirtschaftswachstum abwenden? Wesentliche Fragen wie diese würden harte Diskussionen mit sich bringen. Diese vermisse sie jedoch in derzeitigen Klimadebatten.

»Mein Vorschlag ist, die Klimapolitik eher als Sicherheitspolitik aufzufassen.«

Eva Horn

Kulturwissenschaftlerin, Uni Wien

Horn ist Leiterin des „Vienna Anthropocene Network“, einem interdisziplinären Zusammenschluss von Forschenden der Uni Wien, die sich mit den Herausforderungen im Anthropozän aus geistes-, sozial- und naturwissenschaftlicher Sicht auseinandersetzen. Ihre Devise: Forschung für eine Zukunft, in der wir leben wollen. Unter dem Motto „Von Klimaangst zu konstruktivem Handeln“ diskutierte sie in Alpbach unter anderem mit der Wissenschafts- und Technologieanthropologin Milena Bister (Uni Wien).

Diese kann der Idee eines Klimarechnungshofes, der etwa von den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Klimavolksbegehrens gefordert wurde, etwas abgewinnen. Er könnte dazu beitragen, „in den vielen Krisen, in denen wir uns befinden, politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen“. Im Projekt „Realfiktion Klimarechnungshof“ testet Bister derzeit mit ihrem Team aus, was eine solche staatliche Institution bewirken könnte, die Klimabilanzen unabhängig prüft. Diese sollte einerseits rückwirkend untersuchen, was einzelne gesetzliche Maßnahmen erreicht haben, und andererseits vorausschauend prüfen, welche geplanten Maßnahmen welches Potenzial zur Eindämmung der globalen Erwärmung haben, so die Forscherin.

Zu wenig Emotionen

„Mein Eindruck ist, dass es kaum gelingt, aus dem abstrakten Befund des Klimawandels etwas zu machen, auf das wir affektiv reagieren“, resümierte Horn. Mit dem Verstand würden die meisten den Klimawandel zwar akzeptieren, doch Gefühle riefen eher die Klimapolitik und Klimabewegungen hervor: „Diesen wird wirklich unglaublich viel Hass und Wut entgegengebracht. Die Kulturwissenschaftlerin verglich die Klimakrise mit Krebs. „Natürlich haben wir Angst davor, aber wir tun kaum etwas, um diese Krankheit zu verhindern, und beschäftigen uns nicht vordringlich damit. Wir haben vielleicht eher zu wenig Angst als zu viel.“

Dabei ist Climate- oder Eco-Anxiety in Fachkreisen mittlerweile ein durchaus geflügeltes Wort. Denn ja, der Klimawandel kann sich tatsächlich auch auf die Psyche schlagen: Betroffene fühlen dann eine tief sitzende Sorge, in die sich Überforderung, Schuld, Traurigkeit oder gar Verzweiflung mischen. Das betrifft nicht nur, aber insbesondere junge Menschen, wie eine internationale Studie gezeigt hat (The Lancet, 2021).

Demnach waren von den 10.000 Befragten zwischen 16 und 25 Jahren knapp 60 Prozent sehr bzw. extrem über den Klimawandel besorgt. 75 Prozent konstatierten, dass die Zukunft beängstigend sei, und 83 Prozent befanden, dass die Menschheit dabei versagt habe, sich um den Planeten zu kümmern. Rund 45 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass sich diese „Klimaangst“ negativ auf ihren Alltag auswirke. Andere Studien wiesen darauf hin, dass Frauen – sie machen den Großteil der Klimageflüchteten aus – und indigene Menschen, die Umweltveränderungen meist am direktesten und somit härtesten treffen, eher von Eco-Anxiety betroffen sind. (APA/cog)

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