Die Ich-Pleite

Das neue Image der Deutschen

Carolina Frank
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Man will immer das, was man nicht hat.

Die Deutschen werden nicht für ihren Humor, ihre Lässigkeit und ihre Lebenslust gemocht, sondern für Tüchtigkeit, ihre Ordentlichkeit und ihre Verlässlichkeit. „Mögen“ ist vielleicht nicht das richtige Wort. Denn niemand „mag“ einen, wenn man sein Handtuch schon vor dem Frühstück vorn am Pool ausbreitet, obwohl das von Tüchtigkeit zeugt. Oder wenn jemand mit der schlechten Wetterprognose dazwischengrätscht, wenn alle einen Bergausflug machen wollen. Für solche Qualitäten wird man bestenfalls geschätzt.

Deshalb darf man es den Deutschen auch nicht ankreiden, wenn sie ihr Image ein bisschen korrigieren wollen. Zum ­Beispiel auch einmal coole Typen sein wollen, die mit dem Fahrrad am Gehsteig fahren, mittags mit der Arbeit beginnen und abends bekifft in öffentlichen Parks gemütlich Würste grillen. Und die Polizei schaut auch noch weg. Und man muss sagen, wenn man ­Berlin zu Deutschland zählt, dann ist ihnen das auch gelungen. Ich habe es selbst erlebt.

Und jeder kennt persönlich mehrere Deutsche, die einen unordentlichen Schreibtisch haben und zu manchen Dingen keine Meinung. Trotzdem hätte sich das Deutschen-Klischee noch länger gehalten, wenn in diesem Sommer nicht die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock höchstpersönlich eingegriffen hätte. Statt mit dem Regierungsflugzeug wie geplant nach Sydney zu fliegen, ist das Flugzeug zweimal wegen eines mechanischen Defekts notgelandet und hat dabei 80 Tonnen Kerosin in die Atmosphäre abgelassen. Das war eine Demonstration deutscher Ingenieursuntüchtigkeit. Das muss der Neid den Deutschen wieder lassen. Jetzt hat die Welt kapiert, dass sie keine Tüchtigkeitsweltmeister mehr sein wollen.

(Die Presse Schaufenster, 1.9.2023)

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