Formel 1: Daniel in der Löwengrube

Daniel Loewengrube
Daniel Loewengrube(c) EPA (SRDJAN SUKI)
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Daniel Ricciardo soll 2014 bei Red Bull Mark Webbers Formel-1-Cockpit erben: Das hat sportliche und vor allem politische Gründe.

Meistens grinst er, und wenn er nicht grinst, dann lacht oder schmunzelt er. Der Australier Daniel Ricciardo, 24, gilt als der fröhlichste Formel-1-Pilot der Moderne. Im Moment wohl auch mit gutem Grund: Die Insider im Grand-Prix-Zirkus sind überzeugt, dass der Lockenkopf aus Perth den begehrtesten Job der Formel1 bekommt – und ab 2014 als Nachfolger von Mark Webber im Weltmeisterteam Red Bull Racing fahren darf. Eine beeindruckende Aufwertung für einen Toro-Rosso-Piloten, der in seinen ersten 41 Rennen nie besser platziert war als auf Rang sieben.

Doch Ricciardo hat eine Mission – er ist für Red Bull Notwendigkeit. Denn die Bilanz des teuren Nachwuchsprogrammes ist nach einem guten Dutzend Jahren bescheiden. Zwar hat man mit Sebastian Vettel den erfolgreichsten Piloten der Gegenwart gefördert, doch rund 40 Piloten sind trotz großzügiger Unterstützung auf dem Weg in die Königsklasse gescheitert oder nach einigen wenigen Jahren in der Formel 1 wieder vom System ausgespuckt worden. Vom Sonderfall Vettel abgesehen (der zudem stark von BMW unterstützt wurde) hatte das Junior-Team den Ruf einer Talentevernichtungsmaschine. Erst die aktuellen Formel-1-Junioren Jean-Éric Vergne und Ricciardo schlagen sich achtbar – und im Fall von Ricciardo gut genug, um das auch politisch wichtige Upgrade ins Einserteam von Red Bull zu verdienen. Denn die Verpflichtung des 34-jährigen Kimi Räikkönen wäre ein Armutszeugnis nach all den Millionen von Dollar, die Fuschl in sein Nachwuchsprogramm pumpt – den Kauf des teuren B-Teams von Toro Rosso nicht eingerechnet.

„Mir ist es lieber, sie nehmen Ricciardo statt Räikkönen“, sagt sogar dessen Stallrivale Vergne zur „Presse am Sonntag“. „So habe ich wenigstens das Gefühl, dass unser Weg richtig war.“

Vom Scouting im Jahr 2007 an sind ihre Karrieren fast parallel verlaufen, wobei der um neun Monate ältere Australier meist einen kleinen Schritt voraus war – so auch jetzt. Ricciardo hat elf Rennen mehr Formel-1-Erfahrung, und er hat den Lächelbonus: Denn Dietrich Mateschitz hat längst bemerkt, dass die Sympathiewerte seines immer verkrampfter wirkenden Erfolgsteams stagnieren – für eine Marke wie Red Bull ist die Mannschaft zu angepasst, streberhaft, ernst und paranoid. Ein offener, immer lächelnder Sympathieträger mit Surferboy-Image kommt da gerade recht. Einer wie er, der einen spielerisch-leichten Umgang mit Reportern hat, dessen Karriere schon seit den ersten Formel-Renault-Jahren in Dokusoaps festgehalten wurde. Und einer, der da ist, wenn es darauf ankommt: „Beim Red-Bull-Casting in Estoril hatten wir nur fünf Runden lang die Chance zu zeigen, dass wir schnell sind. Ich wusste: Die nächsten Minuten werden den Lauf meines Lebens entscheiden.“

Ähnlich war es Ende 2010. Eine Woche nachdem Vettel in Abu Dhabi Weltmeister geworden war, durfte Ricciardo beim Rookie-Test auf derselben Strecke in dessen RB7 Platz nehmen – und war prompt eine Sekunde schneller. Zur Belohnung zahlte ihm Red Bull 2011 für elf Rennen ein Cockpit bei HRT. Eine harte Lehrzeit: „Ich fuhr abwechselnd das beste Auto und das schlechteste. Man kann das nicht vergleichen – jede Kurve fühlte sich völlig anders an, als würdest du auf einer anderen Strecke fahren.“


Ungewöhnliche Signatur. Doch der Punkfan, der sich bei lauten Konzerten am besten entspannen kann, hielt durch und wartete 2012 und 2013 geduldig bei Toro Rosso auf seine Chance. Denn es war schon länger klar, dass Mark Webber zum Ende dieser Saison sein Cockpit räumen wird – und Webber, ein enger Vertrauter von Mateschitz, machte stets Werbung für seinen jüngeren Landsmann. Am Anfang der Karriere half er ihm mit Tipps: „Er hat mir gesagt: ,Genieße deine Zeit in der Formel 1. Sauge alle Infos auf wie ein Schwamm. Lass dich nicht verrückt machen von der ganzen Technik und all den Knöpfen in so einem Auto.‘“

Nun darf er wohl ab 2014 die Knöpfe eines Weltmeisterautos bedienen – er ist nur eine Unterschrift vom Vertrag seines Lebens entfernt. Es wird nicht seine ungewöhnlichste Signatur. Die schrieb er früher: „Als mir eine Mutter ihr Baby hinhielt, mit der Bitte, ich solle dem Kleinen ein Autogramm auf die Brust schreiben.“ Jetzt ist er selbst die Zukunft der Formel 1. In der Löwengrube von Red Bull geht es für Daniel wieder einmal um alles oder nichts.

Steckbrief

1989
Daniel Ricciardo wurde am 1.Juli 1989 in Perth geboren. Er wurde 2009 britischer Formel-3-Meister und war in den beiden folgenden Saisonen in der Formel Renault aktiv. 2011 debütierte er bei HRT in der Formel 1, seit 2012 fährt er für die Scuderia Toro Rosso.

2014
könnte Ricciardo die Nachfolge seines australischen Landsmanns Mark Webber bei Red Bull Racing antreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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