Erste Lage: Saint-Émilion

Erste Lage: Saint-Émilion
Erste Lage: Saint-Émilion(c) Wikipedia
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In die Gegend um Saint-Émilion kommen Weinkenner der legendären Châteaux, der Küche und der Landschaft wegen. Neben alten Schlössern hält auch moderne Architektur hier Einzug.

Kurvige Straßen, beidseitig von Bruchsteinmauern begleitet, führen gegen den Himmel, über eine Kuppe hinweg und gleiten wieder in sanft hügelige Senken. Wenn die Mauern enden, wird der Blick auf die Weinlandschaft frei – eine bezaubernde Offenbarung: Reben, wohin der Blick sich wendet, strukturiert durch Alleen hoher Bäume, die zu malerischen Schlössern führen. Zu diesem idyllischen Bild jahrhundertealter Kulturlandschaft gesellt sich zusehends moderne Architektur – dies ist nicht nur ein Zeichen des Erneuerungsprozesses der Weinproduktion, sondern auch Ausdruck eines tiefergreifenden Wandels. Architekten werden aufgefordert, neue „Chais“, Lager für die Fässer, zu bauen.

Neu von Nouvel. Es handelt sich allerdings nicht nur um einfache Weinkeller, in denen man Wein und exquisite Schmankerln verkosten kann. Oft ist noch ein kleines Geschäft dabei, in dem alles Mögliche, was in irgendeiner Weise mit Wein zu tun hat, angeboten wird. Manchmal ergänzt sogar ein feines Restaurant den „Chai“, wie bei jenem des „Château la Dominique“ bei Saint-Émilion,  der von Jean Nouvel geplant wurde und zurzeit gerade fertiggestellt wird. Der enigmatische französische Stararchitekt spielt bewusst mit dem mysteriösen Ambiente der Weinproduktion, bei der die genaue Zusammensetzung sowie die Verarbeitungsweise strenges Berufsgeheimnis sind. Das tiefe Rot des sinnlich schweren Weins nimmt Nouvel in seiner schimmernden Metallfassade auf, die sich vom üppigen Grün der Weinstöcke kontrastreich abhebt. Ein feines, weit auskragendes Dach überdeckt das über dem Weinkeller thronende Restaurant, von dem aus der Blick weit über die Landschaft reicht. Gegenüber erhebt sich der Konkurrenzbau: Der „Chai du Cheval Blanc“ (2011), konzipiert von Christian de Portzamparc, ist eine Welle aus weißem Sichtbeton, auf dessen Dach ein Landschaftsgarten für ununterbrochenes Grün sorgt. Einige Kilometer weiter steht ein signalhafter Bau von Mario Botta für das „Château Faugères“.

Die „Chai“-Serie der Stararchitekten wurde bereits 1995 mit Herzog & de Meurons „Chai Petrus“ in Kalifornien begonnen und 2002 mit einem weiteren in Pomerol bei Liboure fortgesetzt. Seither sprießen stets neue ikonische Weinbauten aus dem Boden. Oft wird den bestehenden „Chais“ der alten Schlösser auch nur eine innovative Innenarchitektur eingeschrieben, die den neuen Anforderungen entspricht, wie beim bestechend schönen Weinkeller des „Château Soutard“.

Architektur wird zur Inszenierung des Weins eingesetzt; sie verleiht Dionysos neue Kleider. Der legendäre Bordeaux wird zu einem Luxusprodukt hochstilisiert, nicht nur durch die ikonenhafte Architektur, sondern auch durch die Verfeinerung und Perfektionierung der Produktionsweise des Weins. Diese hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Wahl der Fässer (Edelstahl oder Eiche), der Art deren Behandlung (Flämmung des Holzes, um eine gewisse Geschmacksnote zu verleihen) und der Art der Lagerung, wobei das Mischen von Traubensorten der wichtigste Faktor ist. Dies erfährt man, wenn man an einem Schnellsiedekurs teilnimmt, der in manchen der „Chais“ angeboten wird.

Einmal Winzer sein. „The Winemaker“ im „Château Haut Sarpe“ in St. Christophe-des-Bardes bei St. Émilion war der Erste, der seine Gäste zu eigenen Mischungen anregte. Unter charmanter Anleitung lernt man zuerst, sorgfältig zu schmecken, abzuwägen und schließlich auch selbst Kombinationen auszuprobieren. Pipetten und Mischgläser stehen bereit: Wie viel Prozent Merlot, wie viel Chardonnay? 70/30 oder lieber 60/40? Ein feiner Unterschied, man lernt ihn mit der Zeit zu schätzen, wobei die Entscheidung den Gästen freisteht – je nach Geschmack. Um diesen letztendlich auch grafisch eine persönliche Note zu verleihen, kann der Gast sein eigenes Etikett kreieren. Aber erst, nachdem er gelernt hat, den Korken in seine Flasche zu stopfen und diese ganz sachgemäß zu versiegeln. Fast wie ein Profi – ein berauschendes Gefühl.

Auch im „Château Siaurac“, einem alten Herrschaftssitz aus dem 18. Jahrhundert, werden Kurse angeboten, doch hier herrscht ein ganz anderes Flair: Baronesse Guichard empfängt ihre Gäste höchstpersönlich und stellt, je nach Wunsch, ein Programm zusammen. So beginnt sie etwa mit einem Kurs, bei dem der Gast auf unterschiedliche Faktoren sensibilisiert wird, zum Beispiel den idealen Zeitpunkt, eine Flasche zu öffnen, oder die komplexen Geschmackskombinationen von Delikatessen und Weinsorten.

VIP-Mahl oder Lunchbox. Ein wunderbares Mittagessen kann die kulinarische Erfahrung vervollkommnen – auch im Privatsalon als VIP-Mahlzeit möglich, bei einem Tête-à-Tête mit der Gastgeberin, oder schlichter mit einer einfachen Lunchbox.

Ebenso wird die Teilnahme an Weinlesen angeboten, sogar Kinderprogramme erfand die innovative und äußerst dynamische Baronesse. Sie hatte sich gegen einen Verkauf des Familienguts an Luxusmarken gewehrt und beschlossen, Paris und Job hinter sich zu lassen und selbst die Weiterführung des Weinguts zu übernehmen. Angesichts der horrenden Preislage (eigentlich können nur noch Luxuskonzerne mitbieten) sowie der Erbrechtsregelung, die eine Auszahlung der Geschwister vorsieht, muss man eben sehr geschäftstüchtig und innovativ sein, um überhaupt durchzuhalten.

Nicht nur die ausgezeichneten Weine machen diese Landschaft aus, die Liste der Köstlichkeiten aus der Küche ist lang. Es gibt in Saint-Émilion viele gute Restaurants, die Qualität auch bei einfacher Kost bieten. In einem Keller aus dem 14. Jahrhundert etwa, dem sogenannten „Lard et Bouchon“ („Speck und Korken“), steht der Name fürs Programm: Hausmannskost mit sorgfältig ausgesuchtem Wein. Wer hervorragend speisen will, geht in die „Hostellerie de Plaisance“. Schon der Aperitif auf der Terrasse über der malerischen Kleinstadt ist wunderbar, der Wein und die dazu servierten kleinen Kostproben ebenso. Nicht entgehen lassen sollte man sich auch die famosen „Macarons“ (die ursprünglich aus St. Émilion kommen) von Nadia Fermigier, die das Originalrezept der Nonnen hütet.

Nickerchen im Weinbehälter. Dieselbe Qualität, die beim Wein und beim Essen überzeugt, setzt sich bei den Unterkünften fort, auch hier schafft das intensive Zusammenwirken von Alt und Neu eine besondere Atmosphäre. Joel Duffau etwa setzt mit seinen „La cuve à mon Loup“ in Moulon auf Kontraste und ungewöhnliche Wohnerlebnisse: Einen alten Weinbehälter hat er zum Gästezimmer umfunktioniert, davor locken Pool und Panorama. Franc Mayne wiederum bietet unter anderem ein Baumhaus für Besucher an, während die Hausherrin des „Clos de la Barbanne“ auf Wunsch ihre Gäste mit Hingabe bekocht.

Und auch bei diesem Landsitz zeigt sich, dass die Region mit der Kombination von Tradition, hoher Qualität und steter Erneuerung offenbar alles richtig macht: Im „Clos de la Barbanne“ ergänzen alter Bestand und modernes Interieur aufeinander aufs Trefflichste.

TIPPS

Hübsche Notizhefte
aus dem Shop des Weinkellers des Château Soutard; www.chateau-soutard.com

Macarons & Co. Nadia Fermigiers berühmte Macarons, Cannelés und Bouchons (= Korken), 9 rue Guadet, Saint-Émilion,
www.macarons-saint-emilion.fr

Weitere Souvenirtipps aus der Region: Spezialschraubenzieher für klem-mende Korken und Dekantierer für Weinflaschen aus Glas. Shampoo und Cremen aus Weinderivaten.

Tafeln und kosten
Hostellerie de Plaisance, Place du Clocher in Saint-Émilion,
www.hostellerie-plaisance.com

Restaurant le lard et le bouchon, 22 rue Guadet in Saint-Émilion,
www.lardetbouchon.fr

Picknickkorb des „Jardins des Cordeliers“ in St. Émilion
www.lescordeliers.com

Weinverkostung (mit Restaurantbesuch) im „Chai“ von Jean Nouvel, Château la Dominique in Saint-Émilion,
www.chateau-ladominique.com

Weinkeller, Führungen und Verkostungen
Château Soutard,
Saint-Émilion, www.chateau-soutard.com

Château Faugères (Architekt: Christian Portzamparc), Saint-Etienne de Lisse, Saint- Émilion,
www.chateau-faugeres.com

Atelier B-Winemaker im Château Haut Sarpe in Saint-Christophe-des-Bardes,
info@j-janoueix-bordeaux.com
www.b-winemaker.com/chateau-haut-sarpe.html

Château Siaurac (mit Mittagessen) in Néac, www.chateausiaurac.com

Unterkunft
Clos de la Barbanne, Les Grandes Pièces 2 in Montagne,
T +33/(0)557/24 08 79, www.clos-de-la-barbanne.net

Relais de Franc Mayne, 14 La Gomerie in Saint-Émilion, T +33/(0)557/24 62 61,
www.relaisfrancmayne.com

Chambres d’Hôtes la cuve à mon loup, 2 Les Arromans in Moulon,
T +33/(0)557/74 93 98,
www.vignoblesjoelduffau.fr

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