Olympia: Ex-Weltmeister Bach neuer Herr der Ringe

Thomas Bach und Jacques Rogge
Thomas Bach und Jacques Rogge(c) REUTERS (ENRIQUE MARCARIAN)
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Thomas Bach folgt Jacques Rogge als IOC-Präsident. Der Deutsche muss System und Wohlstand wahren und schnell Klarheit im Sotschi-Konflikt schaffen.

Buenos Aires/Fin. Mit der Amtsübergabe von Jacques Rogge an seinen Nachfolger Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees beginnt in der Sportwelt eine neue Zeitrechnung. Als mächtigster Funktionär muss Bach danach trachten, Werbewirtschaft, Politik und Sport weiterhin so zu vereinen, wie es Rogge geschafft hat. Doch der Belgier hinterlässt viele Baustellen. Nur in einem Punkt kann der neue Primus der Olympier beruhigt das Büro in Lausanne beziehen: Das IOC hat Rücklagen von einer Milliarde Dollar.

Die Vergabe der Sommerspiele 2020 an Tokio war bei der 125.Vollversammlung in Buenos Aires nicht unumstritten. Die Bedenken wegen der Folgen der Atomkatastrophe scheinen angesichts anhaltender Schreckensmeldungen nicht unberechtigt. Auch der Countdown zu den Winterspielen im Februar 2014 in Sotschi verläuft nicht reibungslos. Denn sie sprengen alle Vorstellungen, was finanzielle Obergrenzen anbelangt. Die Budgetzahlen werden nahezu täglich nach oben korrigiert. Von bis zu 50 Milliarden Euro ist die Rede, und angesichts dessen rücken vom IOC propagierte Begriffe wie Sparprogramme, Krisenmanagement oder Menschenrechte oftmals sehr schnell in den Hintergrund.

Gesetze, Doping und „Berater“

Die Wahrscheinlichkeit, dass es aufgrund des höchst umstrittenen russischen Anti-Homosexuellen-Gesetz zu Protesten kommen wird, ist sehr hoch. Zahlreiche Topsponsoren äußerten in Buenos Aires ihre Befürchtungen. Der aus dem Amt scheidende IOC-Marketingchef Gerhard Heiberg war tunlichst darum bemüht, die Gemüter zu beruhigen, dennoch warnte er den Rogge-Nachfolger: „Wir müssen vorbereitet sein.“

Sotschis Bewerbungschef Dmitri Tschernyschenko bat im Gegenzug um Mithilfe, Kampagnen und Spekulationen zu unterbinden. Russlands Regierung habe unmissverständlich erklärt, das Gesetz würde die Spiele nicht beeinflussen. Das Diktat, das öffentliche Darstellung von Homosexualität im Beisein Minderjähriger unter Strafe stellt, überschattet aber seit Wochen die Vorbereitungen. Es weckt zudem Erinnerungen an Peking 2008, als Rogge die Aufrechterhaltung der Internet-Zensur duldete.

Ein weiterer Knackpunkt ist die anhaltende Dopingproblematik. Fortschritte im Kampf gegen verbotene Substanzen werden plakativ vermeldet und ertappte Stars, wie der Leichtathlet Tyson Gay, gesperrt. Doch hinter den Kulissen herrscht Ungewissheit. Sind die Maßnahmen ausreichend, gibt es nicht längst neue Mittel, Methoden? Ein Plädoyer für einen sauberen Sport gibt es nicht.

Die Empörung angesichts der Bestechungsskandale etlicher Olympia-Granden, die 2002 weltweit für Negativschlagzeilen sorgten, ist in der Amtszeit Rogges verhallt. Der Belgier verstand es geschickt, diese offensichtlich plumpen Machenschaften zu beenden. Dass etliche Mitglieder weiterhin ihre eigenen Netzwerke in Form von Beraterverträgen oder Vorstandsposten pflegen und Kritiker Unvereinbarkeiten wittern, ist offenkundig.

Der Kreis schließt sich

Die Marke Olympia ist ein Milliardengeschäft, sowohl für das IOC als auch für alle Partner, Sponsoren und TV-Anstalten. Hohen Kosten für Gastgeber, deren Auswahl und lokalen Widerständen – in Russland und Brasilien – zum Trotz. Mit der Wahl Tokios bestätigte das IOC seinen Kurs, es folgt dem Lockruf des Geldes. Dass nur 200 Kilometer nördlich des Olympiadorfs eine Atomruine strahlt, ist kein Ausschließungsgrund.

Der 59-jährige Thomas Bach ist seit 1991 im IOC, war stellvertretender Präsident und ist Ex-Weltmeister im Fechten. Diesen Titel errang er in Argentinien (Buenos Aires). Für ihn gleichsam ein goldener Boden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2013)

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