Selbst ein- und aussteigen werden wir noch müssen, fahren nicht mehr

Autonomes Fahren. Schrittweise gewöhnen uns die Hersteller daran, dass die Elektronik das Steuer übernimmt. Bis 2020 sollen alle Hindernisse umfahren sein.

Daimler hat sich für die IAA eine Inszenierung einfallen lassen, die in der langen Geschichte des Herstellers gründet: Eine Mercedes S-Klasse wandelte auf den Spuren der Bertha Benz, die vor 125 Jahren zur ersten Fernfahrt der Automobilgeschichte aufbrach – von Mannheim nach Pforzheim. Die knapp 90 Kilometer durch den Ruhrpott sind noch nicht die Leistung – außer, das Auto bewältigt sie völlig ohne jeden Eingriff des Fahrers. Der S500 war zwar mit einigen zusätzlichen Sensoren ausgestattet, auch die Navigationsdaten waren präziser und umfangreicher als heute üblich. Doch im Großen und Ganzen, so Daimler, basiert der Prototyp auf der aktuellen S-Klasse, so sie mit „Intelligent Drive“-Features ausgestattet ist. Das Auto meisterte jeden Kreisverkehr, ließ sich von brüsk ausscherenden Bussen nicht irritieren und schwamm so unauffällig im Verkehr mit, wie man das von braven Fahrern erwarten würde.

Start des Autonomobils

„Piloted Driving“, wie man auch sagt, ist das große Thema der nächsten Jahre. Angefangen hat es mit Tempomaten, die dank Radar selbsttätig den Abstand zum Vordermann einhalten. Spurassistenten, die automatisch mitlenken, ziehen aktuell in die Cockpits ein. Ziel ist das Autonomobil, das dem Fahrer alles abnimmt, was man heute unter Autofahren versteht. Die Systeme sind in Erprobung, viele Komponenten schon ausgereift. Bis zum Jahr 2020 sollen sowohl die Verlässlichkeit als auch die Kosten auf einem Niveau sein, das den Serieneinsatz erlaubt – ebenso wie der regulatorische Rahmen für den legalen Betrieb in vielen Ländern, auf vielen Straßen.

Was verspricht sich die Industrie davon? „Wir verbringen im Schnitt täglich zwei Stunden im Auto. Das ist verlorene Zeit“, erläutert Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn auf der IAA. „Wir wollen sie den Menschen zurückgeben.“

Übernimmt das Auto die Fahrerei, könne man lesen, arbeiten, sich mit den Kindern beschäftigen. Hohes Potenzial weist auch die (westliche) Demografie: Wir werden unbestritten immer älter. In dieser Art von Auto wären auch „80-, 90- und 100-Jährige sicher unterwegs“ (Ghosn) – allesamt Käufer, auf die man in einigen Jahren nicht wird verzichten können.

Dass Autos dadurch generell sicherer würden, auch mit jungen Leuten am Steuer, wäre ein weiterer Grund, warum die Hersteller mit Hochdruck bei der Sache sind. Spannende Szenarien für unsere Straßen also – wenn wir für die dann noch einen Blick haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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