U5: Die Geisterlinie taucht wieder auf

Geisterlinie taucht wieder
Geisterlinie taucht wieder(c) Clemens Fabry
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2020 soll Wien seine sechste U-Bahn-Linie bekommen, sagt die Stadt Wien – doch ob die U5 bis dahin tatsächlich realisiert werden kann, ist mehr als unsicher. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Projekt.

Wien. Wiens Geisterlinie ist wieder aufgetaucht: Seit Jahrzehnten erscheint die U5 regelmäßig in der politischen und medialen Landschaft Wiens (und verschwand auch regelmäßig wieder) – diesmal landete sie in der Gratiszeitung „Heute“: Es soll bereits konkrete Gespräche im Rathaus geben und die U5 soll im Jahr 2020 ihren Betrieb aufnehmen, wird berichtet.

1. Warum taucht die Idee einer U5 gerade jetzt wieder auf?

Verhandelt wird auf politischer Ebene etwa seit 1970. Dass die U5 gerade jetzt wieder zum Thema wird, mag mit mehreren Faktoren zusammenhängen: Der Rathauskoalition aus SPÖ und Grünen wird es nicht unrecht sein, dass mit einem anderen Verkehrsthema von den Querelen in der Mariahilfer Straße abgelenkt wird. Dass Ende September eine Nationalratswahl ansteht (Stichwort Wahlzuckerl), mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Und: Im Frühjahr wird der neue Masterplan Verkehr beschlossen. Befürworter der U5 können versuchen, die (dort nicht vorgesehene) U-Bahn-Linie damit doch noch in den Masterplan zu bringen.

2. Braucht Wien tatsächlich eine neue U-Bahn?

Ja. Wien wächst stetig – und die Linien U6, U3, 13A und 43 stoßen zum Teil jetzt schon an ihre Grenzen. Das ist das Argument, mit dem die Wiener Linien die Gespräche über die Planung und einen möglichen Start im Jahr 2020 begründen. Die Anzahl der Fahrten der Wiener Linien ist zuletzt auf rund eine Milliarde Passagierfahrten pro Jahr gestiegen. Bestehende U-Bahn-Linien müssen in überlasteten Streckenabschnitten entlastet werden, damit der öffentliche Verkehr nicht an Attraktivität verliert. Nicht umsonst haben die Wiener Linien erst vor wenigen Wochen angekündigt, ab Oktober (nicht nur) die U-Bahn-Intervalle zu verdichten.

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3. Welche Route würde die neue U5 fahren?

Es existiert derzeit noch keine fixe Routenplanung. Nur einige Eckpunkte: Am wahrscheinlichsten würde die U5 in Hernals starten und bei der Station Rathaus in die bisherige U2-Strecke münden. Deren Verlängerung vom Karlsplatz über das Arsenal bis zur Station Gudrunstraße ist sowieso geplant. Die U2 würde im Gegenzug von der Station Rathaus über die Neubaugasse, Pilgramgasse bis zum Wienerberg geführt werden (siehe Grafik). Es gab auch Überlegungen, mit einer verlängerten U5 den Hauptbahnhof anzufahren.

4. Wie realistisch ist es, dass die U5 tatsächlich bis 2020 kommt?

Eine Eröffnung im Jahr 2020 ist völlig unrealistisch – aus mehreren Gründen. Einerseits müsste bereits heute eine fixe Linienführung samt Detailplanung existieren, um den (für einen U-Bahn-Bau) sehr knappen Zeitrahmen einhalten zu können. Von derartigen Planungen ist aber nichts bekannt – weder öffentlich, noch bei den Wiener Linien, noch hinter den Kulissen im Rathaus. Der Zeitrahmen wäre auch (zu) knapp, weil die Behördenverfahren für den Neubau einer U-Bahn-Linie extrem aufwendig sind. Beispielsweise müssten die Wiener Linien zuvor diverse Grundstücke erwerben bzw. dort ein Servitut bekommen – was erfahrungsgemäß mit einem jahrelangen Rechtsstreit (Stichwort Anrainer/Hausbesitzer) verbunden ist, der ein derartiges Projekt massiv verzögern kann. Bei der U2-Verlängerung etwa gab es dieses Problem. Dazu kommt, siehe nächste Frage, dass eine Finanzierung nur theoretisch möglich ist.

5. Ist die Finanzierung der neuen Linie gesichert?

Nein. Die aktuelle, vierte Ausbauphase der Wiener U-Bahn, die bis 2020 läuft und ausfinanziert ist, sieht drei Projekte vor: Verlängerung der U2 zur Seestadt Aspern, Verlängerung der U1 nach Oberlaa, Verlängerung der U2-Süd vom Karlsplatz zur Gudrunstraße. Die U5 ist hier nicht vorgesehen.

Konkret bedeutet das: Realisiert Wien die U5, muss auf ein anderes Projekt verzichtet werden. Nur: Die U2-Nord ist bereits gebaut, für die U1 nach Oberlaa erfolgte bereits der Spatenstich. Bliebe nur die U2-Süd. Sie müsste aber gleichzeitig mit der U5 gebaut werden und zum Wienerberg führen, weil die U5 ab der Station Rathaus auf der U2-Trasse fährt. Letztere Möglichkeit würde aber den Finanzrahmen sprengen.

Hintergrund: Wien und Bund haben vertraglich vereinbart, dass bis 2020 rund 1,8 Milliarden Euro in die vierte Ausbaustufe der Wiener U-Bahn investiert werden, die Kosten werden geteilt. Diese 1,8 Milliarden sind also fix verplant bzw. teilweise bereits verbaut. Mehr Geld gibt es aber nicht, stellen sowohl Infrastruktur- als auch Finanzministerium gegenüber der „Presse“ klar. Für die Stadt Wien allein wäre die U5 unfinanzierbar. Einerseits sind die Mittel knapp, andererseits kann Wien für die U5 keine neuen Schulden machen, da sonst der Stabilitätspakt gefährdet ist. Die U5 und die U2-Verlängerung, die gleichzeitig realisiert werden müssten, lassen sich aber gemeinsam nicht finanzieren.

Geisterlinie taucht wieder
Geisterlinie taucht wieder(c) Die Presse / PW

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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