Fall Kührer: Zeugen belasten Videothekchef

Fall Kuehrer Zeugen belasten
Fall Kuehrer Zeugen belasten(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Am Tag drei des Prozesses um den Tod der 2006 verschwundenen Julia Kührer sagte eine Praktikantin aus. Der Beschuldigte sei ihr mehrmals "zu nahe" gekommen und habe sie zum Oralverkehr aufgefordert.

Korneuburg/Apa. Tag drei im Prozess um den Tod der 2006 aus Pulkau im Weinviertel verschwundenen Julia Kührer: Am Landesgericht Korneuburg sagten am Donnerstag zahlreiche weitere Zeugen aus.

Die Chefin einer Partnervermittlung, deren Kunde der Beschuldigte Michael K. (51) 2006 war, sagte, er habe eine Partnerin im Alter von 30 bis 35 Jahren gesucht. Dem von ihm gewünschten Frauenprofil habe Julia Kührer entsprochen: schlank, langes dunkles Haar. Abgesehen davon, dass er das Honorar schuldig geblieben sei, habe es zwei Beschwerden gegeben: Eine Dame meinte, er habe ihre Geldbörse gestohlen, eine zweite nannte ihn „grob“, er sei „kein Gentleman“.

„Blöde“ Anmachsprüche wie „Du hast einen sexy ...“ und Griffe auf das Gesäß hat eine 24-Jährige nach ihren Angaben damals während eines einwöchigen Praktikums in der Videothek in Pulkau erlebt. „Es war einfach unangenehm“, meinte sie dazu, dass der Angeklagte ihr einige Male „zu nahe“ gekommen sei. Laut früherer Aussage habe er sie mehrmals aufgefordert, in das Kammerl nach hinten zu kommen, weil er Oralverkehr wollte. Als er einmal „zur Tat schritt“, wie es Richter Helmut Neumar formulierte, um sich zu entblößen, habe sie das Geschäft verlassen. „Das war dann das Ende Ihres Praktikums“, konstatierte Neumar. In Sachen Suchtgift sei allerdings „nichts gelaufen“, meinte die 24-Jährige.

„Wie schön und traurig das Mädchen ist“

Der Pulkauer Pfarrer, der Julia und auch ihre Brüder kannte, berichtete von einem Jugendtreff im Pfarrhof. Auch in der Videothek war er selbst einige Male gewesen. Eine junge Tschechin, die eine Zeit lang dort gearbeitet hat, habe ihm anvertraut, K. verlange in sexueller Hinsicht Dinge von ihr, die sie nicht wolle. Als K. nicht anwesend war, habe sie sich sein Handy geborgt und mit einer Freundin in Tschechien telefoniert, sagte der Geistliche. Ihm sei klar gewesen, dass sie ihre Flucht vorbereitete. Der Angeklagte habe einmal, als Julia vorbeiging, ihm gegenüber festgestellt, wie schön und traurig das Mädchen sei. Verteidiger Farid Rifaat betonte, dass sein Mandant dieses Gespräch leugne. Bezüglich Drogenverkaufs wurde der Beschuldigte von einer 23-Jährigen belastet. Die Zeugin, die Julia von der Schule her – von den gemeinsamen Raucherplätzen – kannte, gab an, dabei mit ihr über Marihuana gesprochen zu haben. Beide hätten festgestellt, dass Suchtgift euphorisch mache. Sie sei mit Julia in der Videothek gewesen, wo diese „Crystal Meth“ gekauft habe. Julia habe einen Hunderter hingelegt, worauf K. ihr ein „Briefchen“ gegeben habe. Dazu wurde ihre frühere Aussage zitiert, wonach Julia gemeint hätte, Drogen durch Flirten mit K. beziehen zu können. Und sie hätte gesagt, wenn es hart auf hart käme, würde ihr eh nichts anderes übrig bleiben, als mit ihm ins Bett zu gehen, um an „Crystal Meth“ heranzukommen. Die junge Frau wurde teilweise in Abwesenheit von K. befragt: Sie habe Angst vor ihm, meinte sie.

Ein Nachbar des Angeklagten in Dietmannsdorf schilderte, wie es Ende Juni 2006 zur Auffindung der sterblichen Überreste des Mädchens gekommen war. Er habe schon lange den Verdacht gehabt, dass die Leiche in dem Erdkeller liegen könnte. Denn K. sei nach Julias Verschwinden ebenfalls „von heute auf morgen“ verschwunden. Am 28. Juni 2006 feierte er seinen Geburtstag, dabei wurde vom Fall „Kührer“ geredet. Sein Nachbar bestätigte ebenfalls, denselben Verdacht zu haben. Die beiden kletterten auf das Grundstück und begaben sich in den Keller – und fanden im hinteren Teil zuerst einen Oberschenkelknochen. Sie riefen die Polizei. Kriminalisten wurden zugezogen, Untersuchungen bestätigten, dass es sich um die Überreste des Mädchens handelte.

Der wegen Mordes angeklagte Michael K., auf dessen Grundstück 2011 die skelettierte Leiche der Schülerin entdeckt worden war, hatte sich zum Verhandlungsstart am Dienstag nicht schuldig bekannt. Am Mittwoch wurden die Eltern des Mädchens befragt sowie Freunde und Schulkolleginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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